Jun Ye: Optische Frequenzkämme bringen auf wunderbare Weise zwei wissenschaftliche Gebiete zusammen, die zuvor keinerlei Verbindung hatten: die Präzisionsmesstechnik und die ultraschnellen Wissenschaften. Ein Frequenzkamm ist ein Wellenzug von extrem kurzen, phasenkohärenten Pulsen, die es uns erlauben, ultraschnelle dynamische Vorgänge in ganz kurzen Zeitfenstern zu betrachten oder Spektroskopie mit bisher unerreichter Auflösung in längeren Zeitabschnitten zu betreiben.
Was war Ihre größte Herausforderung bei der Weiterentwicklung der Frequenzkämme?
Jun Ye: So kreativ wie möglich zu sein bei der Suche nach verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Frequenzkämme. Jede dieser Anwendungen erfordert die Lösung von bestimmten technischen Problemen – aber bisher ist es uns gelungen, diese zu finden. Mein Ziel ist es, die Kontrolle über die Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie auf Quantenebene mit noch nie da gewesener Präzision zu erlangen.
Dazu verfolgen wir verschiedene Projekte: Dazu gehört ein Frequenzgenerator für die Präzisionsspektroskopie von Atomen und Molekülen, die Erforschung ultrakalter Atome, die die nächste Generation von optischen Atomuhren ermöglicht, oder die Übermittlung von Signalen zur zeitlichen Steuerung von GPS-Satelliten, die signifikant stabiler und präziser ist als bisherige Lösungen. Wir haben den Spektralbereich von Frequenzkämmen in die VUV-Strahlung verschoben. VUV steht für Vakuum-Ultraviolett-Strahlung und bezeichnet den Spektralbereich elektromagne tischer Strahlung, der im kurzwelligen Bereich an das UV grenzt. Mit der so genannten Direkten Frequenzkamm-Spektroskopie, bei der eine Vielzahl von Kammkomponenten gleichzeitig mit Atomsystemen interagiert, lassen sich Informationen über die grundsätzliche Struktur von Atomen gewinnen. Zudem kombinieren wir die Hochpräzisionsmesstechnik mit der hoch auflösenden Spektroskopie zu neuen Konzepten der Quantenkontrolle.
Welche industriellen Anwendungen haben Frequenzkämme bereits heute?
Jun Ye: Derzeit kommerzialisieren einige Laser- Hersteller speziell in Deutschland diese Technologie. Entsprechende Messsysteme werden in der akademischen Forschung, bei Institutionen für Messwesen wie z.B. der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) oder in Telekommunikationsanwendungen eingesetzt.
Gibt es praktische Einsatzmöglichkeiten, die eines Tages uns alle betreffen werden?
Jun Ye: Wir benutzen optische Frequenzkämme für das extrem sensible Aufspüren einer großen Bandbreite von Molekülen. Das ließe sich nutzen, um neue Werkzeuge zur Identifizierung von Gasbestandteilen zu entwickeln. Für solche Systeme gibt es medizinische Einsatzmöglichkeiten bei der Untersuchung der Atemluft, Anwendungen im Arbeitsschutz beim Erkennen gefährlicher chemischer Bestandteile oder in der Qualitätskontrolle zum Beispiel in der Halbleiterindustrie.
Wofür brauchen wir zum Beispiel perfekte Atomuhren?
Jun Ye: Zum einen helfen sie, die menschliche Neugier bei der Erforschung fundamentaler physikalischer Größen zu befriedigen, zum anderen verbessern sie die Navigation und ermöglichen eine neue Generation von hochpräzisen Messinstrumenten.
Also können wir derartige Uhren für GPS-Systeme verwenden?
Jun Ye: Kein Zweifel, sie werden die Leistungsfähigkeit vorhandener GPS-Systeme deutlich verbessern.
Gibt es eine Zusammenarbeit mit der PTB in Braunschweig?
Jun Ye: In der Tat – der Friedrich Wilhelm Bessel- Forschungspreis der Alexander von Humboldt- Stiftung, der mir letztes Jahr zuerkannt wurde, erlaubt mir die Kooperation mit meinen Freunden und Kollegen von der PTB zur Entwicklung besserer optischer Atomuhren.
Haben Sie noch weitere Verbindungen nach Deutschland?
Jun Ye: Ich habe Verbindungen zu deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen wie der PTB oder dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Abgesehen von einer immer intensiveren Zusammenarbeit mit Menlo Systems in Martinsried gibt es noch keine weiteren Kontak- te zu deutschen Industrieunternehmen – aber das kann sich ja noch entwickeln.