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Intrakranielle Stents: Mehr Schlaganfälle als bei rein medikamentöser Behandlung

Ursache ist vermutlich die mechanische Manipulation beim Einlegen der Stents / Keine Vorteile der PTAS bei anderen Endpunkten

(lifePR) (Köln, )
Das Risiko für erneute Schlaganfälle ist höher, wenn Patienten nach dem Aufweiten ihrer Blutgefäße im Gehirn nicht nur gerinnungshemmende Medikamente bekommen, sondern zusätzlich Gefäßstützen (Stents) eingesetzt werden. Studien liefern dagegen keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen der unter der Abkürzung PTAS firmierenden Stent-Behandlung. Zu diesem Ergebnis kommt der am 9. Oktober 2014 veröffentlichte Bericht (Rapid Report) des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Stents sollen Restenosen verhindern

Sind Blutgefäße im Gehirn verengt oder verschlossen, kann das einen Schlaganfall auslösen. Hatten Patienten bereits einen Schlaganfall oder eine vorübergehende Durchblutungsstörung (transitorische ischämische Attacke, TIA), ist das Risiko hoch, dass weitere auftreten. Deshalb bekommen diese Patientinnen und Patienten zum einen Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen. Zum anderen können verengte Gefäße zusätzlich erweitert werden.

Inzwischen geschieht dies häufig mithilfe eines kleinen Ballons. Aber auch nach einer solchen Ballondilatation (perkutane transluminale Angioplastie, PTA) und gleichzeitiger Blutverdünnung bleiben häufig Gefäßverengungen (Stenosen) bestehen oder es treten neue auf (Restenosen). Deshalb wurde die Behandlung um Stents erweitert (perkutane transluminale Angioplastie mit Stenteinlage, PTAS): Kleine Röhrchen aus Drahtnetz sollen die erweiterten Blutgefäße stützen und eine Restenose verhindern. Diese Stent-Behandlung gibt es seit rund zehn Jahren.

PTAS mit Therapiealternativen vergleichen

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG beauftragt, den Nutzen einer PTAS für Patienten zu bewerten, bei denen Symptome einer Verengung der Blutgefäße im Gehirn aufgetreten sind (symptomatische intrakranielle Stenose). Die PTAS sollte verglichen werden mit der rein medikamentösen Behandlung mit Mitteln zur Blutverdünnung sowie mit einer Ballondilatation ohne Einsatz von Stents, also der PTA. Letztere schließt wie die PTAS stets die Gabe von Medikamenten zur Blutverdünnung ein.

Vier Studien identifiziert

Insgesamt vier randomisierte kontrollierte Studien (RCT) haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifiziert, die Patientinnen und Patienten mit symptomatischen intrakraniellen Stenosen einschlossen. In drei Studien wurde die PTAS mit einer rein medikamentösen Behandlung verglichen. Eine Studie testete die PTAS gegen die PTA.

Eine maßgebliche Studie zu PTAS versus Medikation allein

Maßgeblich für die Bewertung der PTAS im Vergleich zu einer rein medikamentösen Behandlung ist die SAMMPRIS-Studie. Mit insgesamt 451 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist SAMMPRIS die größte derzeit verfügbare Studie und nur sie liefert Daten sowohl zu Sterblichkeit und Nebenwirkungen als auch zu Schlaganfällen in allen Hirnarealen.

Die beiden anderen Studien (Miao 2012 und Gao 2013) berichteten nur Schlaganfälle, die im Gebiet der zuvor bereits behandelten Gefäße (Stromgebiet) auftraten. Für Patientinnen und Patienten ist aber relevant, ob Schlaganfälle auftreten – unabhängig davon, wo sie lokalisiert sind. Deshalb waren auch zum Endpunkt Schlaganfall nur Daten aus SAMMPRIS verwendbar.

Für wichtige Endpunkte fehlen Daten

Außer der Sterblichkeit (insgesamt und durch Schlaganfälle), der Krankheitslast in Form von Schlaganfall, TIA und weiteren physischen oder psychischen Beeinträchtigungen durch die Durchblutungsstörungen zählen auch Nebenwirkungen (z. B. andere Blutungsereignisse oder Herzinfarkt) sowie die Abhängigkeit von Fremdhilfe oder Pflegebedürftigkeit zu den patientenrelevanten Endpunkten dieser Bewertung. Allerdings wurden sie in keiner Studie vollständig berichtet. Zu weiteren für Patienten maßgeblichen Kriterien wie gesundheitsbezogener Lebensqualität, Klinikaufenthalten oder körperlicher Belastbarkeit lieferte keine der vier Studien Ergebnisse.

Deutlich mehr Schlaganfälle in zeitlicher Nähe zum Eingriff

Wie die Daten von SAMMPRIS zeigen, erleiden Patientinnen und Patienten deutlich häufiger einen erneuten Schlaganfall, wenn sie einen intrakraniellen Stent bekommen haben, als bei der alleinigen Gabe von Medikamenten: In der PTAS-Gruppe war das bei 59 Teilnehmern (26,3 %) der Fall, in der Vergleichsgruppe bei nur 42 (18,5 %).

Unterscheidet man nach Art des Schlaganfalls, so kann man diese Unterschiede bei den hämorrhagischen, also durch Blutungen bedingten Schlaganfällen feststellen, nicht jedoch bei den ischämischen, also durch Verengung bedingten. Bei den hämorrhagischen Schlaganfällen handelt es sich häufig um sogenannte periprozedurale Ereignisse, die binnen 30 Tagen nach dem Eingriff auftreten. Und bei einem Großteil der Patienten scheinen sie durch die mechanische Manipulation beim Einlegen des Stents zustande gekommen zu sein.

Keine Unterschiede bei Sterblichkeit und Revaskularisationen

Diesen Nachteilen stehen keine Vorteile bei anderen Endpunkten gegenüber: Denn bei der Sterblichkeit (Gesamtmortalität und zerebrovaskuläre Mortalität) zeigt sich kein relevanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Zum gleichlautenden Befund kommt der IQWiG-Bericht auch bei den erneuten Revaskularisationen, also der Notwendigkeit, erneut verengte Gefäße wieder zu weiten.

Ergebnisse möglicherweise verzerrt

Alle Studien, die das IQWiG in die Bewertung einbezog, sind mit Unsicherheit behaftet und ihre Ergebnisse möglicherweise verzerrt. Hauptgründe dafür waren Unklarheiten bei der Randomisierung sowie die vorzeitige, ungeplante Beendigung der Studien.

Und das gilt auch für SAMMPRIS: Sie startete im November 2008, wurde aber im April 2011 vorzeitig gestoppt, da in der PTAS-Gruppe deutlich mehr Ereignisse (gezählt wurden Todesfälle und Schlaganfälle) aufgetreten waren. Auch wenn diese Entscheidung nachvollziehbar ist, können die Ergebnisse aufgrund des vorzeitigen Endes der Studie verzerrt sein.

Trotz der beschriebenen Unsicherheit sieht das IQWiG in der Gesamtschau einen Anhaltspunkt für einen Schaden der PTAS im Vergleich zur rein medikamentösen Behandlung.

Medikamente nicht zulassungsgemäß eingesetzt

Die Interpretation der Ergebnisse von SAMMPRIS wurde dadurch erschwert, dass die Medikamente nicht so eingesetzt wurden, wie es die für Deutschland geltende Fachinformation vorsieht: In beiden Gruppen erhielten die Patientinnen und Patienten eine Kombination aus zwei gerinnungshemmenden Wirkstoffen, Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel (duale Plättchenhemmung). Diese Kombination wird zwar auch in Deutschland eingesetzt, ist aber bei Schlaganfall nicht zugelassen, da sie bekanntermaßen das Blutungsrisiko erhöht. Und es ist nicht auszuschließen, dass es eine Wechselwirkung zwischen den Medikamenten und dem Einsetzen der Stents (PTAS) gibt, die insbesondere das Auftreten von Blutungen beeinflussen könnte.

Auch bei Medizinprodukten sind RCTs unabdingbar

Bei der PTAS zeigt sich einmal mehr, dass für Medizinprodukte der Risikoklasse III, zu denen auch Stents gehören, hochwertige Studien notwendig sind: Denn in den USA waren die intrakraniellen Stents zunächst auf Basis von Fallserien über eine Art Ausnahmeregelung (Humanitarian Device Exemption) zur Behandlung einer speziellen, mit weniger als 4000 Betroffenen relativ kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten zugelassen worden. Medicare, eine amerikanische Krankenversicherung für Ältere und Behinderte, forderte dann aber ein RCT als Voraussetzung, dass die Stents von ihr erstattet werden können.

So wurde die SAMMPRIS-Studie initiiert und durch das National Institute of Health finanziert. Erst diese RCT, also eine Studie höherer Evidenz, legte offen, dass bei der neuen, als innovativ geltenden Behandlung mehr Schlaganfälle auftreten.

Produktsicherheit ist nicht gleich Patientensicherheit

Und wie schon bei den antikörperbeschichteten Stents, die in Herzkranzgefäße eingesetzt werden, bestätigt sich auch hier: Es kommt nicht allein auf das Medizinprodukt an, sondern auch auf die Umstände seiner Anwendung. „Wer also verlässliches Wissen über den Nutzen von Stents für die Patientinnen und Patienten haben will, muss die gesamte Anwendung mit den Begleitfaktoren untersuchen und nicht nur die Stents selbst“, stellt Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren beim IQWiG, fest.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG am 28. Februar 2014 beauftragt, den Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannten Rapid Report zu erarbeiten. Im Unterschied zum sonst üblichen Prozedere werden hier keine Vorberichte veröffentlicht. Zwar wird eine Vorversion des Berichts extern begutachtet, es entfällt aber die Anhörung, bei der alle Interessierten Stellungnahmen abgeben können. Der Bericht (Version 1.0) wurde am 11. September an den Auftraggeber versandt.

Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Berichts gibt eine Kurzfassung.

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