Zweimal am Tag hieß es während der Kieler Woche „Leinen los“ für das Rolli-Boot, auf dem bis zu vier Rollstuhlfahrende auf Regattabegleitfahrt gehen konnten und dabei selbst beim Segeln mitanpacken durften. Mit glücklichen Gesichtern rollten die Teilnehmenden nach den Törns zufrieden von Bord. „Das war super und hat viel Spaß gemacht“, „Toll, dass es so ein Angebot für Rollstuhlfahrende gibt“ und „Das möchte ich auf jeden Fall wieder machen“ lauteten die Reaktionen auf das extrem gut angenommene Angebot, das „Inklusives Segeln für Alle e.V.“ in Kooperation mit dem Verein „Wir sind Wir – Inclusion in Sailing e.V.“ auf einem speziell für Rollstuhlfahrende umgebauten Boot während der Kieler Woche 2024 durchgeführt hat.
Die Begeisterung der Teilnehmenden des Schnuppersegelns war genauso groß. Gemeinsam mit einer Trainerin oder einem Trainer segelten blinde und sehbehinderte Menschen in einem Boot der inklusiven Segelklasse RS Venture Connect. Dabei saßen sie in Schalensitzen nebeneinander und sammelten Erfahrungen im Steuern und Bedienen der Schoten. Für viele war es das erste Segelerlebnis, aber für die meisten vermutlich nicht das letzte. So gut kam die Aktion an.
Das dritte inklusive Segelprojekt der Kieler Woche drehte sich um die Inklusion auf der Regattabahn mit der Teilnahme des inklusiven „BAT Sailing Teams“, einem Gemeinschaftsprojekt von „Wir sind Wir – Inclusion in Sailing“ und dem Norddeutschen Regatta Verein. Mit zur Crew gehört der sehbehinderte David Koch, der auf einem Auge 5 und dem anderen 2 Prozent Sehkraft besitzt. Dennoch findet sich der Hamburger, der seit vier Jahren segelt und beim Bat Sailing Team ein Crewmitglied der ersten Stunde ist, auf der J/70 „Blindfisch“ bestens zurecht. „Ich habe mir das Boots anfänglich ertastet und mit meiner Restsehkraft angeschaut“, erklärt Koch. Er kenne das Boot mittlerweile quasi blind, sagt er und muss bei der Formulierung selbst etwas grinsen. Als inklusives Team zu segeln, sei definitiv kein Nachteil bei der Regatta, so Crewmitglied Mieke Klein. Im Gegenteil: Die komplette Crew hätte davon eher profitiert, da die Kommunikation an Bord viel präziser vonstattengehen muss als bei anderen der Klasse. „Wir sind eine ganz normale Crew“, lautet das Motto des Teams. Steuermann Marvin Hamm ergänzt in Hinblick auf die Kieler-Woche-Regatta: „Wir wollten mittendrin mitspielen und den anderen zeigen, dass sie mit uns rechnen müssen.“
Nach einem für das Team eher enttäuschenden ersten Wettfahrttag mit einer Disqualifikation wegen eines Frühstarts und einem darauffolgendem Abbruch der Rennen wegen Gewitterwarnung lief es anschließend besser. Nach dem dritten Regattatag lag die Crew bereits auf Rang 33 im 48 Boote starken Feld der J/70. In der sportlich extrem ambitionierten Klasse mit sehr dynamischen Rennen, bei der ein gutes Handling des Bootes sowie optimale Manöver das A und O sind, bedeutete das eine durchaus zufriedenstellende Leistung. Das Team konnte die Position bis Regattaende halten.
Steuermann Marvin Hamm lobte die Leistung seines Teams: „Es hat alles super geklappt. Wir haben uns gut im Mittelfeld halten können, und für die nächste Kieler Woche ist trotzdem noch Luft nach oben.“ Das Team trainiert momentan einmal wöchentlich mit anderen Segel-Bundesliga-Teams auf der Hamburger Außenalster. „Das ist ein etwas anderer Modus mit kürzeren Rennen und weniger Booten auf der Bahn. Da mussten wir uns erst wieder ein bisschen umstellen“, erklärt Hamm. „Wir sind zufrieden mit unserer Kieler-Woche-Leistung und haben gemerkt, dass wir bei einem guten Start durchaus auf der Kreuz mit den anderen Teams mithalten können. Das ist ein gutes Gefühl“, so David Koch.
Zufrieden mit allen drei Segelprojekten waren auch die Organisatoren von „Wir sind Wir – Inclusion in Sailing“, Clemens Kraus und Sven Jürgensen: „Für uns als Team gab es während der Kieler Woche viele sehr bewegende, emotionale Momente mit den Teilnehmenden. Die Resonanz auf die Projekte war superpositiv, und wir würden inklusive Segelprojekte gerne nachhaltig etablieren. Ein großer Dank geht an alle Beteiligten.“
Das BAT Sailing Team ging zudem mit einer zweiten Crew rund um Janne Handermann an den Start. Dazu gehörte die gehörlose Karen Suthermann und der Blinde Alexander Thyssen. Als weitere inklusive Crew trat ein Team vom Yachtclub Möhnesee an, zu dem auch der erfolgreiche Para-Segler Siegmund Mainka zählte, der eine paralympische Silber- und eine Goldmedaille im Dreier-Kielboot Sonar ersegelte. Das dritte inklusive Team auf der J/70-Regattabahn in der Kieler Woche kam vom Hamburger Verein „anBord e.V.“, einem Segelprojekt für Menschen mit Krebserkrankung.
Mit somit vier inklusiven Booten haben die Crews ein klares Zeichen für mehr Inklusion auf der Regattabahn gesetzt und gezeigt, wie gut diese funktionieren kann. Das BAT Sailing Team wird dieses schon in Kürze erneut tun, wenn es im Rahmen der Warnemünder Woche in der 2. Segel-Bundesliga antritt.
Text: Katrin Heidemann