(lifepr) (Selsingen, 08.04.2014) Das Fahrrad gewinnt an Stellenwert. Dank einer rückengerechten Konstruktion und Motor nutznießen davon alle Gesellschaftsschichten, erfuhr die Aktion Gesunder Rücken e. V. im Interview mit Radexperten Gunnar Fehlau.
"Am Fahrrad lässt sich die Veränderung der Gesellschaft sehr gut ablesen", erklärt Gunnar Fehlau, Fahrradexperte, Buchautor und Leiter des pressedienst-fahrrad. Die voranschreitende Urbanisierung, die demografische Verschiebung, das gestiegene Umweltbewusstsein und der Trend zu mehr Eigenverantwortung im Gesundheitssystem - das sind die Themen in der Gesellschaft und beim Fahrrad, ist sich Fehlau sicher. Neuerungen sind längst nicht mehr trainierten Sportlern vorbehalten, sondern bieten vor allem gesundheitsbewussten Radlern mehr Komfort, Sicherheit und damit Lebensfreude. Die Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V. sprach mit Fehlau über die aktuellsten Entwicklungen.
AGR: Die Fahrradtrends wirken jedes Jahr vor allem sportlich. Gibt es auch Neuerungen beim rückengerechten Fahrrad?
Gunnar Fehlau: Viele Jahre bediente die Radindustrie das Thema Komfort beim Gebrauchs- und Freizeitrad eigentlich nur durch eine Radgattung. Das waren meist sehr günstig produzierte Räder mit einem tiefen Rahmen, der einfaches Auf- und Absteigen ermöglichte. Kombiniert mit einfachen Komponenten entstand so ein Rad, das recht schwer war, wenig Fahrspaß vermittelte und zu einem vergleichsweise geringen Preis in den Läden stand. Diese Räder luden nicht dazu ein, aktiv zu sein. Statt den Nutzer zu unterstützen, ihn etwa in die Lage zu versetzen, seinen Aktionsradius zu vergrößern oder seine körperliche Aktivität Stück für Stück auszuweiten, zementierten Ausgestaltung und Qualität dieser sogenannten Seniorenräder den Status Quo der Anwender. Beim Fahrrad sind nur wenige Hersteller den Weg zum wirklich rückengerechten Rad gegangen: Eine komfortable Vollfederung, eine durchaus sportive Geometrie kombiniert mit tiefem Durchstieg und zeitgemäße gleichsam leichte, funktionelle und ergonomische Komponenten sind da zu nennen.
AGR: In wieweit musste sich das Komfortrad verändern?
Gunnar Fehlau: Die Veränderung des Komfortrades fand und findet in dreierlei Sinne statt. Seit Beginn des Jahrtausends hat die Fahrradindustrie den 'Best-Ager' nicht alleine als Konsumenten einfacher Räder gesehen, sondern verstanden, dass Menschen ab der Lebensmitte ein gutes Fahrrad durchaus etwas wert ist und Qualität an Bedeutung gewinnt. Hochwertige Technik wanderte vom Rennrad und Mountainbike erst zum Reise- und Stadtrad und schließlich zu Modellen, die speziell auf die Bedürfnisse komfortbewusster Menschen abgestimmt waren. Neben dem tiefen Einstieg sind besonders eine gute Vollfederung, Ergonomie und einfach zu handhabende Bremsen und Schaltungen sowie gute und sichere Lichtanlagen zu nennen. Erst diese Kombination sorgt für wirklichen Komfort. Darauf hat die Aktion Gesunder Rücken richtigerweise seit einigen Jahren hingewiesen und zudem besonders rückengerechte Fahrräder mit dem AGR-Gütesiegel ausgezeichnet. Damit war die Basis für die zweite Entwicklungsstufe des ehemaligen Seniorenrades geschaffen.
AGR: Das Seniorenrad wurde also nicht nur durch neue Technik zum Komfortrad verändert. Wie muss man sich das vorstellen?
Gunnar Fehlau: Das ideale Komfortrad ist eine ganz individuelle Angelegenheit. Es geht um die Anpassung auf die eigenen Bedürfnisse. Letztlich bleibt der Mensch über seinen gesamten Lebensweg meist sehr konsistent. Wer als Jugendlicher sportlich war, wird auch als Senior sportliche Fahrräder vorziehen. Allerdings wird diese Sportlichkeit sich dem Menschen anpassen und braucht also andere technische Entsprechungen. Was in der Jugend ein superleichtes, bockhartes und auf Effizienz getrimmtes Rennrad ist, wird über die Jahre eventuell zum leichten Trekkingrad mit höherem Rennlenker und gemäßigter Geometrie, um Jahre später ein bequemes voll gefedertes Rad mit nach wie vor dynamischen Fahrverhalten zu sein.
AGR: Entspricht das der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Best-Ager?
Gunnar Fehlau: Ja, der Blick auf das letzte Lebensdrittel hat sich verändert. Die aktive Gestaltung dieser Phase besitzt individuell hohe Priorität und gesellschaftlich große Akzeptanz. Es hat - wie es in der Soziologie heißt - ein Shifting stattgefunden: Eine Sache hat eine neue Bedeutung bzw. Wertung und Akzeptanz erfahren. Vom Reha-Vehikel hin zu einem Fahrzeug individueller Lebensgestaltung und Mobilität.
AGR: Bleibt die dritte Ebene, auf der sich das Seniorenrad, das es ja eigentlich nicht gibt, zum Komfortrad verändert hat ...
Gunnar Fehlau: Genau und auch diese fügt sich exakt in einen der Megatrends der Gegenwart ein. Mechanik wird durch Elektronik ersetzt, an die Stelle von analog tritt digital. Beim Fahrrad ist das die Elektrisierung des Antriebs. Das E-Bike oder genauer genommen das Pedelec, steht dafür eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Es macht das Fahrrad zum attraktiven Fortbewegungsmittel für jeden Menschen: Man ist mobil und aktiv und erfährt Unterstützung, ohne bedürftig zu erscheinen. Das Pedelec-Prinzip - der Motor wird nur aktiv, wenn der Fahrer selbst aktiv in die Pedale tritt - nimmt der Leidenschaft Radfahren das Leiden. Dies ist altersunabhängig und entfaltet sich in allen Radgattungen. Selbst Rennrad und Mountainbike sind als E-Versionen erhältlich und werden damit wieder für viele Menschen interessant.
AGR: Wie wird sich der Fahrradmarkt deshalb entwickeln?
Gunnar Fehlau: Das Komfortrad der Zukunft ist definitiv elektrisiert. Das gilt aber generell für einen Großteil der hochwertigen Alltagsräder. In den letzten fünf Jahren hat sich der Fahrradmarkt stark verändert. Das hochwertig ausgestattete Alltagsrad ohne Motor ist eindeutig in der Defensive. Bis 999 Euro spielt es im Alltag noch eine wichtige Rolle, darüber hinaus ist das analoge Fahrrad ein Reiserad, ein Sportgerät oder ein individuell aufgebautes Rad. Während vor Jahren viele Menschen auf hochwertigste Schaltungen, Bremsen und kostspielige Dynamos setzten, greifen diese Kunden jetzt häufig zum Pedelec. Das kommt dank Motor mit einer einfacheren Schaltung und ohne Dynamo daher. Als Bremsen ist ein guter Mountainbike-Standard optimal. Das Pedelec kostet dann etwa 1.000 bis 1.500 Euro mehr als zuvor das gute Rad und bietet ungleich mehr Fahrspaß und damit Lebensqualität. Dieser Gewinn ist übrigens auch der Grund, warum das E-Bike ganz anders als das E-Auto bereits jetzt eine grandiose Erfolgsgeschichte ist. Auf Deutschlands Straßen fahren über 1,5 Millionen E-Bikes, aber kaum 10.000 E-Autos.
Die AGR legt seit vielen Jahren ihr fachliches Augenmerk auf Ergonomie und individuell anpassbare Fahrradtechnik. Ein Vorreiter auf dem Gebiet ist der Fahrrad-Hersteller Riese & Müller (www.r-m.de) mit einer besonders großen Auswahl an ausgezeichneten Rädern. Weiterführende Informationen zu einem rückengerechten Alltag, zu rückenfreundlichen Alltagsgegenständen (u. a. Fahrräder) mit dem AGR-Gütesiegel sowie ein Verzeichnis geschulter und zertifizierter Fachgeschäfte sind auf Anforderung als Infopaket mit dem "Ergonomie-Ratgeber" und dem Patientenratgeber "AGR-MAGAZIN" zum Preis von 12,95 Euro bei der AGR (Tel. 04284/926 99 90 oder www.agr-ev.de) erhältlich.
Ergonomische Anforderungen an rückengerechte Fahrräder
- Rahmengeometrie ermöglicht aufrechte Sitzposition
- Lenker verstellbar in Höhe und Neigung
- anpassbare, wirkungsvolle Federung (vorne und hinten)
- Sattel einstellbar in Höhe, Neigung und Längsposition
- tiefer Einstieg
- geringes Gewicht
Zusatzanforderungen für E-Bikes
- Akkureichweite mindestens 40 km
- Akku leicht zu entfernen
(= Gewichtsreduktion)
Gunnar Fehlau ist Autor mehrerer Fahrradfachbücher und Leiter des pressedienst-fahrrad (www.pd-f.de), Deutschlands führendem Themendienst rund ums Thema Fahrrad(fahren).
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