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HBCD-Dämmstoff-Entsorgung: Alles nur eine Preisfrage oder ein Wahlkampfthema für 2017?

Entlassungen im Handwerk, unbezahlbare Sanierungen für private und öffentliche Bauherrn – wie sich ein Land von seinen Klimazielen und der Energieeinsparverordnung (EnEV) verabschiedet
Auch das Dachdeckerhandwerk fordert im Interesse seiner Auftraggeber eine schnelle Klärung der Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen.
Auch das Dachdeckerhandwerk fordert im Interesse seiner Auftraggeber eine schnelle Klärung der Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen.

(lifepr) (Düsseldorf, 23.11.2016) „Die Abfall-Bunker sind unseres Erachtens nach mit im Ausland angekauften Müll bis zum Anschlag voll – Entsorgung wäre möglich, wird für unsere Betriebe jedoch künstlich verteuert“, fasst Thomas Schmitz, Geschäftsführer des Dachdecker Verbands Nordrhein in Düsseldorf die Situation zusammen.

Bei den rund 1.600 Mitgliedsbetrieben seiner 23 Dachdecker-Innungen türmen sich die ausgebauten HBCD-haltigen Styropor-Dämmstoffe. Dabei wäre die thermische Entsorgung – also die Müllverbrennung wie bisher – durchaus möglich. Denn trotz den Flammschutzmittels HBCD (Hexabromcyclododecan) wäre die Müllverbrennung technisch kein Problem. Schließlich ist Styropor ein Erdölprodukt und besitzt damit sogar einen ausgezeichneten Heizwert. Doch die meisten Entsorger verweigern die Annahme – oder fordern astronomische Preise für die seit dem 30.9.2016 festgelegte Vernichtung der betroffenen Dämmstoffe. Laut EU-Verordnung müssen Dämmstoffe mit einem HBCD-Gehalt von mehr als 1.000 ppm (entspricht 0,1%) so entsorgt werden, dass sie nicht mehr dem Recyclingkreislauf zugeführt werden können. Die thermische Entsorgung erfüllt diese Forderung.

Entsprechende Ministererlasse in NRW würden sogar auch weiterhin die thermische Entsorgung erlauben. Und selbst das Umweltbundesamt sieht in einer Informationsbroschüre zu diesem Thema von Juli 2016 in der thermischen Verwertung keinerlei Probleme.

Bei den von Entsorgern aktuell geforderten Preisen von 3.000 € pro Tonne und mehr drängt sich so manchem Dachdecker der Verdacht auf, hier geht es nicht mehr um Umweltschutz, sondern nur ums Geld. Schließlich war der gleiche Dämmstoff bis zum 30. September dieses Jahres beim gleichen Verwerter für 165 € pro Tonne zu entsorgen.

Viele der Entsorgungsbetriebe bieten an, der Dachdecker möge doch einfach den Nachweis erbringen, dass der angelieferte Dämmstoff nicht die von der EU seit Oktober als kritisch angesehenen Grenzwert von 0,1% HBCD überschreitet. Das aber wäre nur mittels teurer Analyse möglich. Oder mit einer Bestätigung des Dämmstoffherstellers. Da es sich bei diesen zu entsorgenden Dämmstoffen aber um Material aus Sanierungsbaustellen handelt, dürfte der Nachweis, wann genau das Material von wem einst hergestellt wurde, kaum zu erbringen sein.

So kommen beim Dachdeckerhandwerk inzwischen laufende Baustellen zum Stillstand, solange das Entsorgungsproblem nicht gelöst ist. Bereits erstellte Angebote der Dachdecker erweisen sich aufgrund der um bis zum 20-Fachen gestiegenen Entsorgungspreisen als Makulatur. „Es dürfte nur noch eine Frage von wenigen Tagen oder Wochen sein, bis unsere Mitgliedsbetriebe aus wirtschaftlichen Zwängen darauf mit Entlassungen reagieren müssen“, so Thomas Schmitz.

Die Dachdeckerbetriebe und ihre Mitarbeiter sind jedenfalls stocksauer. Nicht wenige von ihnen halten die Forderungen der Entsorger schlichtweg für ein Pokerspiel, bei dem sie der Einsatz sind.

„Wem hilft ein Weltklimagipfel in Marrakesch, zu dem Tausende Delegierte anreisen, wenn wir Handwerker keinen Klimaschutz mehr durch die Erneuerung der Wärmedämmung anbieten können, weil wir auf den Altlasten sitzen bleiben“, so die durchaus berechtigte Frage eines betroffenen Dachdeckers.

Ein Beispiel für den „Preisirrsinn“:

Das Dach des Flachdachbungalows der 74-jährigen Henriette H. aus Essen muss unbedingt saniert werden. Die Dachfläche ist rund 200 m² groß. Vor dem 30.09.2016 hätte die Sanierung rund 48.000 € gekostet. Hier wäre die Entsorgung bei einem Preis pro Tonne zu entsorgendem Altdach mit rund 1.600 € zu veranschlagen gewesen, da pro Quadratmeter Dachfläche ungefähr ein Entsorgungsgewicht von ca. 50 kg, bestehend aus Dachbahnen Dämmung und Feuchtigkeitseinlagerung, gegeben ist. Insgesamt wären beim Dach von Henriette H. also 10 Tonnen Abfallmaterial angefallen. Bei Kosten von 160 €/t somit 1.600 €

Bei den jetzt von den Entsorgern geforderten Preisen von bis zu 3.000 €/t würde allein die Entsorgung des Altmaterials 30.000 € kosten. Der Gesamtpreis für die dringend notwendige Dachsanierung würde auf 76.000 € hochschnellen. Das entspricht einer Kostensteigerung von mehr als 63%.

Nordrhein-Westfalens Landtag darf sich schon jetzt freuen: Die Sanierung der in die Jahre gekommen Flachdächer des Landtages oder des Umweltministeriums in Düsseldorf, deren Dachflächen weit über 200 m² liegen, dürfte dann in den Bereich des Unbezahlbaren vordringen. Ein Albtraum auch für Kirchen oder Kommunen als Träger von Kindergärten und Schulen.

Dann bleiben nur noch wenige Alternativen: Dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen stoppen, weil sich die Entsorgungsbranche offenbar gerade sanieren will. Oder Steuer- und Abgabenlast den gestiegenen Entsorgungskosten anpassen. So oder so: Die Bürger zahlen die Rechnung.

Ansprechpartner:

Herr Harald Friedrich
HF.Redaktion
Telefon: +49 (8165) 939754
Fax: +49 (8165) 939755
Zuständigkeitsbereich: Presse

Über Dachdecker Verband Nordrhein: Der Dachdecker Verband Nordrhein vertritt als berufsständische Organisation die Dachdecker-Innungsbetriebe in den 23 angeschlossenen Dachdecker-Innungen im Bezirk Nordrhein. Sitz des Verbandes ist in Düsseldorf.

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