Forscher der Arbeitsgruppe Neurophysik der Philipps-Universität Marburg montierten am Schädel zweier als „O“ und „S“ bezeichneten Rhesusaffen „Kopfhaltersysteme“. Bei „O“ wurde zusätzlich ein Loch in den Schädel gebohrt und darüber eine Messkammer befestigt, welche in weiteren Versuchen genutzt werden soll, um Elektroden in das Gehirn zu stoßen. Den Tieren wurden dann Kappen mit Elektroden auf den Kopf gesetzt. Bei den Versuchen mussten die Tiere mit über das Kopfhaltersystem fixiertem Kopf in einem sogenannten Primatenstuhl sitzen. Ihre Aufgabe bestand darin, einen kleinen roten Punkt auf einem Bildschirm anzustarren, auf dem sich 600 weiße Punkte hin und her bewegten. Wenn die Tiere alles richtig gemacht haben, erhielten die durch Durst zur Mitarbeit veranlassten Affen etwas Flüssigkeit als „Belohnung“.
Laut der zugehörigen Veröffentlichung war das Ziel der Versuche, zu untersuchen, wie das Gehirn eine - durch sich hin und her bewegenden Punkte simulierte - Eigenbewegung verarbeitet. Nach Angaben der Autoren ist dieser Prozess beim Menschen bereits bekannt und auch in der entsprechenden Studie wurden neben Experimenten an Affen auch Versuche mit menschlichen Freiwilligen durchgeführt, bei denen auf eine Fixierung des Kopfes ebenso wie auf den Flüssigkeitsentzug verzichtet werden konnte.
„Wozu diese Versuche an Affen durchgeführt wurden, wenn entsprechende Erkenntnisse bereits vorliegen und ganz offensichtlich auch Versuche mit freiwilligen menschlichen Probanden möglich sind, erschließt sich nicht“, kritisiert Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche.
Einer aktuellen Stellungnahme der Universität Marburg zufolge habe die Arbeit der AG Neurophysik zur Entwicklung eines Retinaimplantats (Sehprothese) beigetragen. „Ein solches Projekt zur Entwicklung von Retinaimplantaten wurde allerdings 2007 beendet und die Implantate wurden bereits 2008 am Menschen getestet“, berichtet Walter.
So wird auch in der Pressemitteilung der Universität Marburg der nun mit dem „Herz aus Stein“ ausgezeichnete Versuch der Grundlagenforschung zugeordnet. „Ein Bereich, der per Definition keinen konkreten Nutzen verfolgen muss. Stattdessen werden im Namen des Erkenntnisgewinns selbst grausamste Tierversuche durchgeführt und mit einem sich möglicherweise in ferner Zukunft ergebenden Anwendungsbezug gerechtfertigt. Zudem zeigt der Versuch einmal mehr, wie Affen für die Hirnforschung leiden und mehrfach in verschiedenen Versuchen eingesetzt werden. Dies erinnert an das Schicksal des Affen Jara, dessen Autopsie-Befunde wir im Oktober veröffentlicht haben“, so Walter.
Bürger konnten in einer Online-Abstimmung eine Woche lang aus 5 Kandidaten auswählen. Von 6.286 Stimmen entfielen 1.832 (29 %) auf Marburg. Zur Auswahl standen außerdem Tierversuche aus Münster, Duisburg-Essen, Rostock und Bayreuth.
Die Versuchsbeschreibungen sind der öffentlichen Datenbank des Vereins entnommen, in welcher derzeit über 5.300 Beschreibungen von in Fachzeitschriften veröffentlichten Tierversuchen aus Deutschland dokumentiert sind. Ausführliche Beschreibungen der Kandidaten mit Angabe der Originalquellen finden sich auf der Aktions-Webseite. Der Verein betont, dass es sich bei den Kandidaten um Institute handelt und nicht um einzelne Personen.
Affenhirnforschung findet bundesweit an 8 Einrichtungen statt. Interessierte sind aufgerufen, sich auf den Vereinsseiten zu informieren und eine Online-Petition zum Stopp der Hirnforschung an Affen zu unterschreiben.
Weitere Informationen
Video Verleihung „Herz aus Stein“ >>
www.herz-aus-stein.info
Kampagnenseite mit Online-Petition „Die Realität hinter der Affenhirnforschung“ >>