Die Studie erhob ihre Daten in sogenannten FFH-Gebieten, die Bestandteile des europäischen Schutz-gebietssystems Natura 2000 mit dementsprechend strikten Schutzzielen sind. Bis heute fehlt es an verlässlichen Untersuchungen darüber, wie sich die Anwendung der nach-gewiesenen Mittel auf Flora und Fauna auswirkt. „Unsere Daten zeigen deutlich, dass Insekten in Naturschutzgebieten mit einem Cocktail aus Pestiziden belastet sind“, unterstreicht der Hauptautor der Studie Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau.
In der bisherigen Zulassungspraxis von Pestiziden wird jeweils ein einzelner Wirkstoff an unterschiedlichen Insekten untersucht. Dies steht in krassem Widerspruch zu dem aufgefundenen Pestizid-Mix. Dazu Dr. Brühl: „Wenn man bedenkt, dass die Risikobewertung im Rahmen der Zulassungsverfahren von Pestiziden davon ausgeht, dass Insekten mit nur einem Pestizid in Kontakt kommen, liegt auf der Hand, wie realitätsfern diese Bewertungspraxis ist“.
Eingebunden in die Untersuchung und Studienveröffentlichung ist der Entomologische Verein Krefeld, der anlässlich seiner Untersuchung mit nachfolgender Veröffentlichung in der Zeitschrift Plos One im Jahr 2017 weltweite Aufmerksamkeit erhielt. In der Studie wurde der gravierende Rückgang von Insektenbiomasse und Artenvielfalt über die letzten Jahrzehnte - auch in Schutzgebieten - belegt. Der Entomologische Verein arbeitet traditionell mit der standardisierten Fangmethode der Malaisefallen. Hierbei werden Insekten in einer zeltartigen Konstruktion erfasst und direkt vor Ort in Alkohol konserviert. Der Alkohol in der Fangflasche dient zugleich ein Lösungsmittel für viele Chemikalien, die sich an den Insektenkörpern befinden. Diese Methodik kam auch bei der nun deutschlandweit durchgeführten Studie zum Einsatz. Dazu Dr. Brühl: „Es ist gut, dass wir unsere Annahmen dank der neuen Methodik jetzt auch zeigen und belegen können“.
Die 21 Untersuchungsstandorte liegen inmitten einer Agrarlandschaft mit meist konventionell pestizidbehandelten Äckern ohne jede Pufferzone. Der ermittelte durchschnittliche Radius mit Ackerflächen, von denen die nachgewiesenen Pestizide vermutlich stammen, betrug etwa zwei Kilometer. Damit wird deutlich, dass es dringend eine Risikobewertung rund um den Einsatz von Pestiziden in der Agrarlandschaft bedarf: Thomas Hörren vom Entomologischen Verein Krefeld stellt dazu fest: „Die in unserer Studie veröffentlichten Erkenntnisse machen deutlich, dass wir derzeit scheinbar keine ausreichend qualifizierte und interdisziplinäre Naturschutzforschung haben. Es ist erstaunlich, dass erstmalig im Jahr 2021 verlässliche Daten zu Pestiziden von Insekten in Naturschutzgebieten vorliegen. Für einen wirksamen rechts-verbindlichen Biodiversitätsschutz braucht es eine Risikoanalyse zu Pestizidanwendungen oder ein angepasstes Bewirtschaftungskonzept für Schutzgebiete. Andersherum braucht es aber auch ein geeignetes Naturschutzkonzept, das in größerem Maßstab denkt.“ Er fordert ein agrarpolitisches Umsteuern und die Beförderung eines biodiversitätsfördernden Acker-baus ohne Pestizideinsätze in und an diesen wertvollen Lebensräumen.
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Die Studienergebnisse sind nachzulesen unter Brühl et al. (2021): Direct pesticide exposure of insects in nature conservation areas in Germany. www.nature.com/articles/s41598-021-03366-w und wurden im Rahmen des vom BMBF geförderten, interdisziplinären Forschungsprojektes DINA - Diversity of Insects in Nature protected Areas durchgeführt.
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