Der vorgelegte Antrag für eine Gesetzänderung ist ein brandgefährliches Dokument, mit dem Grüne und Linke mitten im Chaos einer sich auflösenden Regierung Fakten schaffen wollen. Er will nicht nur die Tötung von Menschen eines bestimmten Alters rechtmäßig stellen, sondern die Kosten hierfür auch noch der Solidargemeinschaft aufbürden. Dass die Abgeordneten ihren Antrag mit den Worten einleiten: „Der Schutz des ungeborenen Lebens ist unser Auftrag“, ist angesichts dieser Forderung blanker Hohn und soll verschleiern, was tatsächlich beabsichtigt ist. An keiner Stelle im gesamten Dokument wird erwähnt, dass es sich bei diesem „Leben“ um einen schützenswerten kleinen Menschen handelt. Der Widerspruch zwischen den Forderungen, das Recht auf Leben dieses Menschen weitestgehend zu schleifen und dem vorgetragenen Anspruch, dem verfassungsgemäßen Auftrag nach Schutz des vorgeburtlichen Menschen nachkommen zu wollen, wäre sonst zu deutlich ins Auge gefallen.
Die zur Begründung für den Antrag behaupteten „Erkenntnisse“ der „ELSA-Studie“, die immer noch nicht vollständig veröffentlicht wurde, werden durch die Wirklichkeit widerlegt. Gäbe es einen Mangel an Abtreibungsmöglichkeiten, und fühlten Frauen sich auf Grund einer Abtreibung diskriminiert, so würde sich dies zuerst durch einen Rückgang an Abtreibungen bemerkbar machen müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Neun Quartale in Folge sind die Abtreibungszahlen gestiegen – innerhalb von zwei Jahren damit um 12 %. Solche Steigerungsraten sind nur möglich, wenn auf gestiegene Nachfrage mit einem adäquaten Angebot reagiert werden kann. Wer anderes behauptet, verkauft die Menschen für dumm. Das versucht der Antrag auch an anderer Stelle – so etwa, wenn behauptet wird, viele Frauen hätten Probleme, die Abtreibung zu finanzieren. Jede Frau, deren Einkommen unterhalb 1.383 Euro liegt (oder auch darüber, wenn schon Kinder da sind oder eine hohe Miete nachgewiesen wird), hat Anspruch auf Erstattung der Kosten durch die Krankenversicherung. Das Einkommen des Kindsvaters spielt keine Rolle. Mit anderen Worten: Schon jetzt braucht niemand zu fürchten, sich die vorgeburtliche Tötung des eigenen Kindes nicht leisten zu können.
Wie sehr der Antrag ideologiegetrieben ist, zeigt sich dort, wo er medizinische Aspekte behandelt. Einerseits sollen Abtreibungen verbindlicher Teil des Lernzielkatalogs für angehende Ärzte werden, andererseits sollen Frauen allein zu Hause und ohne persönliche ärztliche Begleitung mittels chemischer Präparate abtreiben können. Einerseits ist angeblich eine bessere medizinische Versorgung von Frauen gewünscht, andererseits sollen Krankenhäuser, die an Abtreibungen nicht mitwirken wollen, überhaupt keine gynäkologische Abteilung mehr betreiben dürfen. Einerseits sollen die Beratungsangebote „noch besser auf die Fragen und Bedürfnisse, sowie Lebenssituation der schwangeren Person abgestimmt werden“, andererseits soll gegen bestehende „irreführende“ Beratungsangebote vorgegangen werden. Dass hiermit insbesondere die Beratungsangebote gemeint sind, die keinen Beratungsschein ausstellen, der betroffenen Frau jedoch Hilfe anbieten und ihr zutrauen, in einer schwierigen Lage ein „Ja“ zum ungeborenen Kind zu finden, dürfte hinreichend klar sein.
Zeigt der Inhalt des Antrags, wie wenig die Unterzeichner die Menschenwürde des ungeborenen Kindes interessiert, und wie wenig es ihnen um das Wohlergehen ungeplant Schwangerer geht, so offenbart die Vorgehensweise zudem ein nahezu erschütterndes Demokratieverständnis.
Wer in einer Situation, in der Deutschland zwar in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, aber ohne handlungsfähige Regierung dasteht, nichts anderes zu tun hat als mit einem Gewaltmarsch durch den Bundestag das Recht auf Leben für einen Teil der Menschen durch ein Recht auf deren Tötung zu ersetzen, zeigt, wessen Geistes Kind er ist. Ein solches Vorgehen ist unwürdig, respektlos und inakzeptabel. Bleibt zu hoffen, dass eine deutliche Mehrheit im deutschen Bundestag dies erkennt und sich davon distanziert.