Nahezu völlig unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat der Bundestag für die letzte Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause die Abstimmung über zwei Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid angesetzt. Dabei wäre hier eine breite gesellschaftliche Debatte dringend notwendig gewesen, die vor allem eins in den Blick nimmt: die Verbesserung der palliativen Versorgung und die Suizidprävention. Leider scheinen sämtliche mahnenden Stimmen zur Besonnenheit der Experten ungehört zu verhallen: unter anderem die Experten der Bundesärztekammer und des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, die allesamt ein Innehalten und eine ausführliche Befassung des Parlaments mit den neugefassten Gesetzentwürfen fordern.
Die beiden zur Abstimmung vorliegenden Gesetzentwürfe sind erst vor kurzem zusammengeführt worden (Helling-Plahr, Künast et al.) oder sollen noch überarbeitet werden (Castellucci et al.). Eine gründliche Befassung im Parlament oder eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung damit ist in den wenigen noch zur Verfügung stehenden Tagen gar nicht möglich.
Die ALfA fordert die Bundestagsabgeordneten auf, die Sommerpause zur Meinungsbildung und intensiven Befassung mit den vorliegenden Entwürfen zu nutzen, statt im Eiltempo ein Gesetz zu verabschieden, dass mit Blick auf die hohen Suizidzahlen in den Ländern, die eine solche Regelung bereits getroffen haben, nur als todbringend bezeichnet werden kann.
Der Staat hat die Verpflichtung, das Leben jedes Menschen zu schützen – ohne jede Kosten-Nutzen-Rechnung. Auch ein Mensch, der nicht mehr produktiv ist, sondern auf Grund seines Alters oder seiner Krankheit Kosten verursacht, muss Wertschätzung erfahren und darf nicht den Eindruck haben, nur noch eine unzumutbare Last zu sein. Nicht die Hilfestellung zum Suizid, sondern die Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven ist dringend geboten.
Keiner der vorliegenden Gesetzentwürfe trägt dem in ausreichendem Maße Rechnung. Keiner der Gesetzentwürfe gibt rechtsverbindliche Antworten auf entscheidende Fragen: Wie soll ein missbräuchlicher Nutzen der todbringenden Substanz verhindert werden? Wer kann mit Sicherheit sagen, dass die Entscheidung für die Selbsttötung nicht fremdbestimmt ist? Wo sollen angesichts des jetzt schon bestehenden Fachärztemangels die Psychiater herkommen, die ein solches Urteil fällen? Wie kann effektiv die Werbung für den assistierten Suizid verhindert werden? Hinzu kommt, dass davon auszugehen ist, dass der restriktivere Entwurf um den Abgeordneten Lars Castellucci – sollte sich der Bundestag hierfür entscheiden – mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen würde, da die darin formulierten Einschränkungen der Vorgabe des BVG, ein Recht auf Beihilfe zur Selbsttötung in jeder Phase der menschlichen Existenz zu gewähren, zuwiderlaufen.
In einem Staat, der die Beihilfe zur Selbsttötung eines Mitmenschen als eine von zwei legalen Optionen betrachtet, muss sich jeder rechtfertigen, der diese Beihilfe nicht in Anspruch nehmen will und dadurch Kosten und Mühen verursacht. Hier droht eine katastrophale Entgleisung unserer Gesellschaft.
Die ALfA stellt daher ab sofort Postkarten zur Verfügung, die in der Bundesgeschäftsstelle oder über den Internetauftritt bestellt und an die Abgeordneten versandt werden können. Sie fordern die Parlamentarier dazu auf, sich zu besinnen und das halsbrecherische Tempo aus dem Gesetzesvorhaben herauszunehmen.
Die Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA) tritt für das uneingeschränkte Lebensrecht jedes Menschen ein – ob geboren oder ungeboren, behindert oder nicht, krank oder gesund, alt oder jung. Die ALfA hat mehr als 10.000 Mitglieder und ist Mitglied im Bundesverband Lebensrecht (BVL).