Wie überrascht die Leser der genannten Medien waren, wissen wir natürlich nicht. Sehr überrascht war allerdings der TÜV Nord. Dort wusste man zunächst nichts von einem hervorragenden Prüfzeugnis. Das mag daran liegen, dass der als brandneu verkaufte Bericht nicht mehr ganz taufrisch war. Das Papier vom Januar 2009 wertet regionale Testfahrten in Nordrhein-Westfalen mit Riesenlastwagen aus den Jahren 2006 bis 2008 aus.
Dass der Leser ebenfalls nicht erfährt, dass der TÜV vor kurzem Mitglied im Club der Riesen-Lkw-Freunde geworden ist, wundert dann auch nicht mehr. Es hätte dem überraschend eindeutigen Prüfzeugnis nur einen unnötig unschönen Beigeschmack verliehen. Lesenswert ist der steinalte Prüfbericht aber dennoch. Schließlich enthält er auf 100 Seiten eine Fülle von Details, die das Gruselkabinett der Riesen-Lkw-Skeptiker aufs Schönste bereichern.
So schreiben die Prüfer mit verblüffender Eindeutigkeit, dass die Spediteure eine Abneigung bekundet hätten, sich sklavisch an die festgelegten Routen zu halten. Auch sei es vorgekommen, dass Pkw-Fahrer beim Auffahren auf die Autobahn auf dem Beschleunigungsstreifen behindert worden wären, weil ein Riesenlastwagen die rechte Fahrbahn einnahm. An einer Baustelle blockierte ein Fahrer trotz Anwesenheit des Prüfers zwei Fahrspuren, um hinter ihm fahrenden Pkws das Überholen unmöglich zu machen. Ein Riesen-Laster der Spedition Hoyer erregte sogar öffentliches Ärgernis auf den Straßen. Im trockenen Deutsch der Prüfer heißt es dazu: "Aufgrund des ungewöhnlichen Erscheinungsbildes mit dem langen Überhang hinter der letzten Achse und dem optisch quasi frei schwebenden zweiten Container zog die Fahrzeugkombination häufiger die Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer erkennbar auf sich." Weitere Details zur Katastrophenfahrt des Hoyer-XXL-Lasters finden sich ebenfalls in dem Prüfbericht, gefolgt von einer Darstellung des Teilnehmers Schenker, der mit abgefahreren Reifen unterwegs war.
Noch interessanter sind nur die Details, die der Bericht verschweigt. So gaben sich die Prüfer nicht mit Fahrerbefragungen zufrieden, sondern begleiteten nach eigenen Angaben alle 13 Teilnehmer des Tests auf ihren Fahrten. Trotzdem enthält der TÜV-Bericht nur 12 Berichte zu Fahrerbegleitungen. Eine kleine Recherche kann das Rätsel allerdings schnell aufhellen: Der Riesenlastwagen mutmaßlich der Firma Contrail Transport, den der TÜV unter den Tisch fallen lässt, taucht dafür in einer Polizeimeldung vom Oktober 2007 auf: Der Fahrer des Riesenlastwagens wurde im hohen Norden in Niedersachsen aufgegriffen, hatte aber nur eine Genehmigung für Routen in Nordrhein-Westfalen. Die Beamten stellten außerdem einen Verstoß gegen die Lenk- und Ruhezeiten fest.
Dass ein uralter Bericht mit glänzend polierten Zeugnisnoten ausgerechnet dann auftaucht, wenn das Verkehrsministerium gegen den Willen der meisten Bundesländer Testfahrten durch Deutschland plant, ist natürlich reiner Zufall. Wir erwarten allerdings, dass der TÜV beim Uralt-Pkw des Normalbürgers strenger hinschaut. Sicherheit geht vor: Hier würde nicht mal die "Initiative für Innovative Nutzfahrzeuge" widersprechen.