Die Entwicklung der Arztdichte in Deutschland zeigt, dass es heute über ein Drittel mehr berufstätige Ärzte als Anfang der 90er Jahre gibt. Mit 397 Ärzten je 100.000 Einwohner ist 2010 ein neuer Höchststand bei der Arztdichte erreicht worden; bundesweit wurden 30,8 Prozent mehr Mediziner gezählt als noch im Jahr 1991 mit 304 Ärzten je 100.000 Einwohner. Seit Mitte der 70er Jahre hat sich die Arztdichte in Deutschland sogar mehr als verdoppelt, und sie steigt jedes Jahr weiter an.
Laut der Bedarfsplanung für niedergelassene Ärzte mit Stand 2010 herrscht derzeit insgesamt kein Mangel, sondern eher das Gegenteil ist der Fall: Über alle Arztgruppen hinweg wird die Zahl der festgelegten Arztniederlassungen bundesweit um 26 Prozent übertroffen. Bei den Fachärzten ist die Überversorgung besonders stark ausgeprägt: Mit Internisten und Chirurgen sind sämtliche Planungskreise überversorgt, bei Orthopäden sind es 98 Prozent, bei Gynäkologen 95 Prozent, bei Hautärzten 92 Prozent und bei Augenärzten 86 Prozent. Und: Seit 2006 hat die Zahl der überversorgten Städte und Kreise bei fast sämtlichen 14 Arztgruppen, die in der Bedarfsplanung berücksichtigt werden, zugenommen. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Selbst im vieldiskutierten hausärztlichen Bereich liegen bundesweit 312 der insgesamt 395 Planungsbereiche über dem Soll (Versorgungsgrad über 100 Prozent); 182 Planungsbereiche sind sogar überversorgt (Versorgungsgrad größer als 110 Prozent). Allerdings zeigen sich gerade bei den Hausärzten enorme regionale Unterschiede: Einer Unterversorgung bzw. drohenden Unterversorgung in einigen Landstrichen steht eine massive Überversorgung insbesondere in Ballungsgebieten und den für Ärzte attraktiven Regionen gegenüber. Die bundesweit höchste Versorgungsdichte findet sich in Starnberg (148 Prozent), Freiburg/ Breisgau (141 Prozent) und in München (130 Prozent). In 19 Kreisen und Städten liegt der Versorgungsgrad zwischen 75 und 90 Prozent. Diese Gegenden sind damit von einer Unterversorgung bedroht. Jeweils acht der betroffenen Planungsbereiche liegen in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt. Dort befindet sich auch die einzige aktuell unterversorgte Region (Saalkreis, 65 Prozent). In Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein und dem Saarland liegen die Hausarztzahlen durchgängig über dem Soll.
Unter den Hausärzten, insbesondere in den neuen Bundesländern, gibt es eine relativ große Zahl an älteren Ärzten, die vermutlich auf absehbare Zeit Praxisnachfolger suchen werden oder dies bereits tun. Zwar muss nicht in allen Regionen, insbesondere in den überversorgten Städten und Kreisen, jeder frei werdende Arztsitz auch wieder besetzt werden. Kritisch stellt sich die Lage allerdings in den Regionen dar, in denen ungünstige Faktoren kumulieren: Niedriger ärztlicher Versorgungsgrad, hoher Altersanteil bei den Ärzten und Schwierigkeiten mit der Wiederbesetzung (aufgrund regionaler Gegebenheiten). Die Versorgungssituation in diesen Regionen muss genau beobachtet werden; hier gilt es Anreize zu schaffen, um frei werdende Arztpraxen wieder zu besetzen.
Auch wenn der Demografiefaktor, der nach Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses im Laufe des Jahres eingeführt wird, zum Tragen kommt, ändert sich grundsätzlich nichts an der Tatsache, dass die ärztliche Versorgung in Deutschland durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet ist und nicht durch einen generellen Mangel an Ärzten. Alle Maßnahmen, die eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherstellen wollen, müssen deshalb unbedingt sowohl die Unter- als auch die Überversorgung in den Blick nehmen.
Mit dem Ärzteatlas 2011 legen die Experten des WIdO, Joachim Klose und Isabel Rehbein, das regionale Versorgungsangebot der Vertragsärzte umfassend offen und leisten damit einen wichtigen Beitrag, um solche gezielten Maßnahmen entwickeln zu können. Für die 14 größten Arztgruppen werden aktuelle regionale Versorgungsgrade in den insgesamt 395 Planungsbereichen Deutschlands kartografisch ausgewiesen und so auch das Ausmaß an Über- und Unterversorgung differenziert dargestellt.