Auffahrunfall: Wer auffährt, ist auch schuld?
Jeden Tag passieren unzählige Verkehrsunfälle auf deutschen Straßen. Zumeist handelt es sich dabei um Auffahrunfälle, mit denen sich dann Gerichte befassen müssen. Denn so einfach wie bei der weitverbreiteten Meinung "Wer auffährt, ist schuld", ist es nicht immer. ARAG Experten räumen mit dem Vorurteil auf.
Infos zum Anscheinsbeweis
Aus vielen Verhandlungen zum Auffahrunfall hat sich bei den Gerichten der so genannte Anscheinsbeweis gebildet. Dies bedeutet, dass der erste Anschein zu Lasten des Auffahrenden geht und von seiner vollen Haftung ausgegangen wird. Denn in den allermeisten Fällen hat der Auffahrende den Sicherheitsabstand nicht eingehalten, ist zu schnell gefahren ist oder war schlicht unaufmerksam. Natürlich gibt es aber auch Unfallkonstellationen, bei denen der Anscheinsbeweis erschüttert werden kann. Der Auffahrende hat durchaus Möglichkeiten, sich von der Haftung – zumindest teilweise – zu befreien. Er trägt dabei die Beweislast, weil er sich auf einen für ihn günstigen Umstand beruft.
Wenn der Vordermann stark bremst
Allein durch die Tatsache, dass der Vorausfahrende plötzlich und unerwartet stark abbremst, ist der Anscheinsbeweis noch nicht erschüttert. Dieses Verhalten ist grundsätzlich im Straßenverkehr einzuberechnen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO), es sei denn, der Vorausfahrende ist ohne zwingenden Grund „in die Eisen gestiegen“ (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StVO).
Typische Ausnahmen von der Regel
- Bei einem Auffahrunfall aufgrund starken Abbremsens wegen eines Tieres trifft den Vorausfahrenden eine (Mit-)Schuld, wenn das Tier klein ist (z.B. Katze) und keine Gefahr für die Insassen bei einer Kollision besteht. Anders wird dies bei größeren Tieren wie Großwild oder Kühen gesehen, da ein Unfall für die Fahrzeuginsassen gefährlich sein kann. Manche Gerichte in ländlichen Gegenden urteilen bei Kleintieren anders als in der Stadt, da dort mit mehr freilaufenden Tieren zu rechnen ist und dieses Risiko von den Verkehrsteilnehmern einzukalkulieren ist. Dort wäre der Anscheinsbeweis also schwerer zu erschüttern als in städtischen Gegenden.
- Auf einer Bundesautobahn braucht ein Verkehrsteilnehmer weder mit einem stehenden Fahrzeug zu rechnen noch mit einem erheblichen Verringern der Geschwindigkeit des Vorausfahrenden ohne ersichtlichen Grund.
- Wenn der Vorausfahrende plötzlich stark abbremst, um den Abbiegevorgang einzuleiten und dies nicht vorher rechtzeitig durch den Fahrtrichtungsanzeiger deutlich gemacht hat (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVO).
- Starkes Abbremsen kurz nach einem Fahrspurwechsel durch den Vorausfahrenden, so dass der Auffahrende keine Gelegenheit hatte, den nötigen Sicherheitsabstand aufzubauen.
Erfahren Sie mehr unter https://www.arag.de/versicherungen/rechtsschutz/verkehrsrechtsschutz/sofort/