Zwar sind sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven seit 2007 Arbeitsplätze im Einzelhandel entstanden. Allerdings fallen diese Zuwächse vergleichsweise bescheiden aus, denn: In den vergangenen Jahren sind nicht nur die Ladenöffnungszeiten ausgeweitet, in beiden Städten sind auch die Verkaufsflächen massiv erweitert worden. In Bremerhaven durch das Mediterraneo und in Bremen durch die Waterfront.
Frauen besonders betroffen
In Bremen-Stadt entstanden zwischen 2007 und 2010 415 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Damit stieg die Beschäftigung hier um 2,8 Prozent auf 15.000 an. Allerdings konzentrieren sich diese Beschäftigungszuwächse ausschließlich auf Teilzeitstellen, während die Vollzeitbeschäftigung immer weiter zurückgeht. Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil es sich hierbei um eines der Haupt-Beschäftigungsfelder für Frauen handelt: In Bremen ist jede zehnte, in Bremerhaven sogar jede siebte Arbeitnehmerin im Einzelhandel tätig. Rund drei Viertel der Beschäftigten im Einzelhandel im Land Bremen sind Frauen.
Auch in Bremerhaven fiel der Beschäftigungszuwachs vor dem Hintergrund der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und des Einzelhandelsangebots eher niedrig aus: Seit 2007 wurden 151 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das entspricht einem Zuwachs von 4,53 Prozent. Auch hier konzentrierte sich der Beschäftigungszuwachs überwiegend auf die Teilzeitstellen.
Kostenfalle Öffnungszeiten
Längere Öffnungszeiten lohnen sich nur für solche Geschäfte, die über ein hohes Einsparpotenzial verfügen, also entweder große Märkte oder solche, die über eine besonders günstige und flexible Personalstruktur verfügen. Um Umsatzverluste zu vermeiden, ziehen aber häufig auch andere Einzelhändler nach. So wird das Umsatzplus, das die Vorreiter noch für sich verbuchen können, schnell zur Kostenfalle für alle. Die meisten Geschäfte bieten mittlerweile Öffnungszeiten bis 22 Uhr an, manche sogar länger. Zur Abdeckung der Spätöffnungszeiten wird aber auch auf Leiharbeiter und Fremdfirmen zurückgegriffen.
Ladenschlusszeiten neu regeln
Angesichts der Entwicklung im Einzelhandel empfiehlt die Arbeitnehmerkammer, eine erneute Einschränkung der Ladenschlusszeiten - wie derzeit in Nordrhein-Westfalen diskutiert - in Erwägung zu ziehen. Es gibt schon jetzt Bundesländer, an denen sich Bremen orientieren könnte, denn nicht alle haben den Weg der völligen Freigabe der Öffnungszeiten beschritten: Außer in Bayern gelten auch im Saarland noch moderate Ladenschlussgesetze.
Die zunehmende Prekarisierung in dieser Branche kann langfristig sehr teuer werden, weil es immer weniger Menschen - vor allem Frauen - möglich ist, ein existenzsicherndes Einkommen zu "erarbeiten". Helfen würde hier nicht nur die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, nötig wären auch niedrigere Verdienstgrenzen beziehungsweise eine Einschränkung der Arbeitszeit bei Minijobs. Allerdings plant die Bundesregierung derzeit, die Verdienstgrenze für Minijobber sogar auf 450 Euro anzuheben.
Sofern es nicht gelingt, von den längeren Ladenöffnungszeiten abzurücken, müssen die Arbeitszeitgesetze geändert werden. Bremen könnte hier eine entsprechende Bundesratsinitiative starten mit dem Ziel, das Arbeitszeitgesetz an die neuen Entwicklungen in der Spät- und Nachtarbeit anzupassen. So sollten die Regelungen zur Nachtarbeit nicht erst ab 23 Uhr, sondern bereits ab 20 Uhr greifen und zweitens das Alter der zu versorgenden Kinder von zwölf auf mindestens vierzehn Jahre angehoben werden.
Qualitätssiegel für den Einzelhandel
Die Arbeitnehmerkammer regt außerdem an, entsprechend dem Vorstoß in Hamburg auch in Bremen ein Qualitätssiegel für den Einzelhandel einzuführen. Unternehmen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen, ausbilden und organisiert sind, werden mit diesem Qualitätssiegel ausgezeichnet und in den "Einkaufsführer für faire Arbeit in Hamburg" aufgenommen, an dem sich der Kunde bei seinen Einkaufsgewohnheiten orientieren kann. "Auf diesem Weg rückt das Thema Arbeitsbedingungen im Einzelhandel stärker in das Bewusstsein. Ein solches Vorhaben werden wir gerne unterstützen", kündigt Schierenbeck an.