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"Die Zukunft gestalten"

Energiewende, demografische Entwicklung und Mobilität stellen Baubranche NRW vor neue Herausforderungen

(lifePR) (Düsseldorf, )
Unter dem Leitmotiv "Die Zukunft gestalten" tritt die nordrhein-westfälische Bau- und Planungswirtschaft erstmals gemeinsam vor die Presse, um auf die gewaltigen Herausforderungen aufmerksam zu machen, die im Zuge der Energiewende und des demografischen Wandels auf die Baubranche zukommen.

Ohne die Leistungen des Bausektors können weder die Energiewende noch der demografische Wandel erfolgreich bewältigt werden. Angesichts der Tatsache, dass gemessen an der Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe zusammen der viertgrößte Wirtschaftszweig in NRW und mit knapp 400.000 Erwerbstätigen einschließlich der Architekten und Bauingenieure der größte Arbeitgeber im Produzierenden Gewerbe des Landes ist, repräsentieren:

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau NRW, Dipl.-Kfm. Walter Derwald, Präsident des Baugewerbeverbandes Westfalen, Dipl.-Ing. Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW, Rüdiger Otto, Präsident der Baugewerblichen Verbände und Dipl.-oec. Andreas Schmieg, Präsident des Bauindustrieverbandes NRW, einen der wichtigsten Wirtschaftszweige und damit auch einen der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in unserem Land.

"Barrierefreiheit muss Bestandteil einer nachhaltigen Strategie des Bauens und Wohnens werden" stellte Dr.Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau NRW fest und forderte, dass bei Neubaumaßnahmen die entsprechenden DINNormen zur Barrierefreiheit flächendeckend angewendet werden. Dies gelte auch für Mindeststandards im Wohnungsbestand. Entsprechend solle die Landesbauordnung NRW die Empfehlung der Musterbauordnung des Bundes über ein Mindestmaß hinausgehend aufgreifen. Ferner sei in der Landesbauordnung zu regeln, dass - soweit realisierbar - öffentlich zugängliche Neubauten barrierefrei errichtet werden. Vor dem Hintergrund, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl der über 65-jährigen auf 22,3 Mio. und die Zahl der über 80-jährigen auf 6,4 Mio. angewachsen werde, sei der heutige Wohnungsbestand nur unzureichend auf die Bedürfnisse der überalternden Bevölkerung ausgerichtet. Dreiviertel der in Seniorenhaushalten lebenden Menschen könnten nur über Treppenstufen in ihre Wohnung gelangen, die Hälfte müsse innerhalb der Wohnung Stufen bewältigen, ein Viertel der Wohnungen weise zu wenig Bewegungsfreiheit im Bad auf und nur 15% der Haushalte verfügten über eine bodengleiche Dusche. Bei heute ca. 11 Mio. Seniorenhaushalten errechne sich ein kurzfristiger Bedarf von 2,5 Mio. zusätzlichen barrierefreien bzw. -armen Wohnungen, welcher bis 2020 auf 3 Mio. ansteigen werde.

Bökamp: "Auf Länderebene sollte im Rahmen der Wohnraumförderung über die Bezuschussung von auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtete Umbaumaßnahmen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung nachgedacht werden". Dies könne in unterschiedlicher Ausprägung in Verbindung mit anderen Maßnahmen wie der energetischen Sanierung erfolgen. Die Zuschussvariante würde insbesondere einkommensschwachen Mietern und Eigentümern helfen, Bestandsmaßnahmen durchzuführen.

"Neben günstigen Kreditzinsen ist eine wirksamere steuerliche Absetzbarkeit der Schlüssel zu mehr privaten Investitionen in den energieeffizienten und altengerechten Wohnungsbau". Mit diesen Worten warnte Walter Derwald, Präsident des Baugewerbeverbandes Westfalen, vor einer Abkühlung des Investitionsklimas im Wohnungsbau. Wichtig sei, dass im Rahmen der Fördermaßnahmen zur energetischen Sanierung unbedingt auch die Förderung von Ersatzneubauten einbezogen werde.

Auf Grundlage des letzten Mikrozensus im Jahr 2006 seien von den rund 8,4 Mio. Wohneinheiten in Nordrhein-Westfalen über 77%, - das sind 6,5 Mio. Wohnungen - als sanierungsbedürftig einzustufen. Höchstens 10% davon seien inzwischen nach dem Standard der Energieeinsparverordnung saniert und noch seltener barrierefrei modernisiert worden. "Besonders die Wohnhäuser aus den 50er bis 70er Jahren sind eine doppelte Hypothek auf unsere Zukunft" so Derwald, "sie belasten die Jugend mit einem vernichtenden Beitrag zur Energiebilanz, und sie sind nicht seniorengerecht. Viele Menschen, nicht nur ältere, werden so von einem selbstbestimmten Leben im eigenen Wohnumfeld ausgeschlossen". Höhere Energiekosten aber auch höhere Kosten für die stationäre Pflege statt ambulanter Hilfe im eigenen Wohnumfeld seien die Folge des nicht sanierten Altbaubestandes.

"Energetischer Klimaschutz, demografiefester Umbau und sozialer Wohnungsbau sind die zentralen Aufgaben, die Politik, Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft und Planer jetzt gemeinsam angehen müssen", erklärte Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Hierzu brauche Nordrhein-Westfalen ein Gesamtkonzept "Wohnungsbau 2020+".

Die Absichten der Landesregierung, mit dem Klimaschutzgesetz die Gesamtsumme der Treibhausgasemissionen landesweit bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 % zu verringern, sei ausdrücklich zu begrüßen. "Das Land", so Miksch, "sollte mit gutem Beispiel vorangehen und nur noch Landesbauten realisieren, die klimaneutral sind." Da eine angemessene und zukunftssichere Entwicklung des Wohnungsbestandes sich nur über eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten realisieren lasse, seien vor allem Privateigentümer und Wohnungsunternehmen zu motivieren, in den Bestand zu investieren. Notwendig sei ein geschlossenes Förderkonzept, welches Anreize schaffe und langfristige Planungssicherheit biete. Hierzu fordert Miksch

- ein dauerhaftes Wohnraumförderprogramm auf Landesebene in Höhe von 1 Mrd. Euro, welches intensiv zu bewerben sei,
- auf Bundesebene die Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten von Investitionen in den Wohnungsbau sowie bei der energetischen Gebäudesanierung eine Abschreibung von jährlich 10 % der Kosten.

Allein für die energetische Verbesserung der Sozialwohnungsbestände werde ein Bedarf von 7 bis 8 Mrd € zugrunde gelegt. Die energetische Aufrüstung des gesamten nordrhein-westfälischen Wohnungsbestandes auf ein akzeptables Niveau dürfte Investitionen in Höhe von 90 Mrd € erfordern.

Inzwischen schrumpfe die Zahl der Sozialwohnungen in Nordrhein-Westfalen dramatisch. Unterlagen im Jahr 2000 noch knapp 1,2 Mio Wohnungen der sozialen Mietpreis- und Belegungsbindung, so seien dies heute nur noch 650.000. Sozialgebundene Mietwohnungen würden entscheidend dabei helfen, auch einkommensschwache Haushalte mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Über die gezielte Belegung der Wohnungen erhielten die Kommunen zudem ein wichtiges Steuerungsinstrument, um Quartiere sozial stabil aufzustellen. Die soziale Wohnraumförderung 2010 für Nordrhein-Westfalen liege mit 14.576 Wohneinheiten um ca. 2.400 unter dem Vorjahresergebnis - dies entspreche einem Rückgang von über 14 %. Miksch: "Dieser Trend muss gestoppt werden, da gerade in prosperierenden Großstädten unseres Landes ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen droht."

"Der einschneidende demografische Wandel in unserer Gesellschaft und die gewaltigen Anforderungen an Ökologie und Ökonomie gehören zu den Generalthemen des 21. Jahrhunderts" betonte Rüdiger Otto, Präsident der Baugewerblichen Verbände. "Daher gehören behindertengerechtes Bauen und Wohnen sowie die energetische Nachrüstung zu den wichtigsten Wohnungsbauthemen der Zukunft." Derzeit entfielen bereits 70 Prozent des Wohnungsbauvolumens auf Maßnahmen im Bestand. Wie Otto feststellte, ist der Wohnungsbau zurzeit die tragende Säule der Baukonjunktur in NRW. So hätten die Auftragseingänge im Wohnungsbau im Durchschnitt der ersten acht Monate 2011 um +29,8% zugelegt.

Was die Bauwirtschaft vor dem Hintergrund des anstehenden Baubedarfs wohnungsbautechnisch zu leisten in der Lage sei, zeigte Otto anhand eines prägnanten Beispiels aus Mönchengladbach auf. Hier wurde im Stadtteil Pesch in einer geradezu symbiotischen Kombination aus Erhaltung, Modernisierung, Denkmalschutz und
-pflege, energetischer Sanierung und barrierefreiem Bauen die denkmalgeschützte, ehemalige Pfarrkirche Herz Jesu zu einer modernen Wohnanlage umgestaltet mit insgesamt 23 öffentlich geförderten Wohnungen.

Bei der Umgestaltung seien unter Berücksichtigung der hohen Auflagen des Denkmalund Brandschutzes die Wohneinheiten durch ein nachhaltiges und umweltgerechtes Haus-in-Haus-Konzept in Holzständerbauweise realisiert worden. Das energetische Konzept der Umgestaltung beinhalte unter anderem die Nutzung von Erdwärme, ergänzt um eine Gas-Brennwerttherme, Fußbodenheizung, zentrale Warmwasseraufbereitung, Regen- und Grauwassernutzung sowie eine Foamglas-Innendämmung. Da Landesmittel geflossen sind, seien die Wohnungen ein Projekt des sozialen Wohnungsbaus und trotz des ungewöhnlichen Wohnambientes mit bezahlbaren Mieten ausgestaltet. Otto: "Solche futuristischen Konzepte werden den Wohnungsbau der Zukunft prägen".

"Neben der Brückensanierung gehören Lückenschlüsse und der Ausbau überlasteter Bundesfernstraßen zu den vordringlichsten Maßnahmen, um endlich die rekordträchtigen und klimaschädlichen Verkehrsstaus in Nordrhein-Westfalen abzubauen". Mit diesen Worten charakterisierte Andreas Schmieg, Präsident des Bauindustrieverbandes NRW, die aktuelle Situation im Bundesfernstraßenbau. Ein Schritt in die richtige Richtung sei die Aufstockung des Bundesverkehrsetats um 1 Mrd. Euro, welche den Bundesländern nach der Dringlichkeit der Projekte zur Verfügung gestellt werden sollen. Hier werde die Landesregierung aufgefordert, schnellstmöglich für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW wichtige Verkehrsprojekte an den Bundesverkehrsminister zu melden, damit die in 2012 zur Verfügung stehenden Gelder nicht in andere Bundesländer abfließen. Hier zeige sich wieder einmal, wie wichtig Schubladenprojekte seien um unverzüglich reagieren zu können. Mit Blick auf die unlängst vorgelegten "Priorisierungslisten" im Bundesfern- und Landesstraßenbau bestehe jedoch die Gefahr, dass die Planung vieler wichtiger Straßenprojekte auf die lange Bank geschoben werde. Schmieg: "Zukunftsorientierte Verkehrspolitik sieht anders aus".

"Ein weiteres aktuelles Aktionsfeld mit Brisanz ist die Brückensanierung" so Schmieg. Wie eine Untersuchung ergeben habe, müssten in Nordrhein-Westfalen 300 Brückenbauwerke an Autobahnen und Bundesstraßen kurzfristig saniert, verstärkt oder sogar neu gebaut werden - allein 59 Brücken im Zuge des nordrhein-westfälischen Teils der A45. Hierfür seien in den kommenden 10 Jahren zusätzlich 3,5 Mrd. Euro erforderlich, zumal Nordrhein-Westfalen den höchsten Sanierungsbedarf aller Bundesländer habe. Da die Brückenbelastung bei Staus bereits kritische Ausmaße annehmen könne, sei zwingender Handlungsbedarf gegeben. Geschwindigkeits- oder Gewichtsbegrenzungen würden das Problem nicht lösen, sondern nur zeitlich verlagern. Komme es erst zu unvermeidlichen Vollsperrungen, drohe nicht nur ein noch größeres Verkehrschaos als heute schon vorhanden, die wirtschaftlichen Konsequenzen für unser Land wären verheerend.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien mit vorrangiger Nutzung der Windkraft, komme auch dem Ausbau der Versorgungsnetzte und Stromspeicherkapazitäten eine übergeordnete Bedeutung zu, da Energieproduktion und Energieverbrauch künftig zunehmend räumlich auseinanderfielen. Hier sei der Gesetzgeber aufgefordert, die für den Netzausbau notwendigen politischen Weichenstellungen vorzunehmen, die Trassenführungen in einem Netzplan auszuweisen und für die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen.
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