- ARCD kritisiert fehlenden Zeithorizont
- Sicherheitsausstattung für Lkw kommt zu kurz
- ABS-Ausrüstung für Motorräder gefordert
- Mehrphasen-Ausbildung für junge Fahranfänger angemahnt
Neben dem Dauerbrenner Schuldenkrise war in der vergangenen Woche die Straßenverkehrssicherheit das politische Top-Thema in Berlin. Zuerst kam am Mittwoch der Verkehrsausschuss im Bundestag zu einer Expertenanhörung zusammen, einen Tag später legte Verkehrsminister Peter Ramsauer sein "Verkehrssicherheitsprogramm 2011" vor. Der ARCD greift daraus einige wichtige Punkte auf und bezieht Stellung.
"Wir begrüßen die Vorschläge der Bundesregierung für mehr Verkehrssicherheit und stimmen den meisten Maßnahmen zu", lobt ARCD-Generalsekretär Jürgen Dehner das Programm. So sei es richtig, dass vor allem junge und ältere Verkehrsteilnehmer und der Problembereich Landstraßen in den Fokus gerückt werden. "Es kommt nun darauf an, Prioritäten zu setzen und die Erfolg versprechenden Maßnahmen schnell anzupacken." Leider fehlten im Katalog fast durchweg klare Vorstellungen, bis wann die Vorschläge realisiert werden sollen, kritisiert Dehner. So entstehe der Eindruck von Unverbindlichkeit, der den guten Absichten nur schade. An diesem Geburtsfehler habe schon das Vorgängerprogramm für mehr Verkehrssicherheit aus dem Jahr 2001 gelitten.
Einige "heiße Eisen", wie ein Alkoholverbot am Steuer für alle und ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, kämen im jetzt vorgelegten Programm erst gar nicht vor. "Wir hätten uns im Bericht der Bundesregierung auch mehr Festlegungen gewünscht, welche modernen Assistenz- und Sicherheitssysteme für Lkw, aber auch für Busse demnächst Vorschrift werden", merkt Dehner an. Schon der Aktionsplan für Güterverkehr und Logistik der Bundesregierung aus diesem Jahr halte sich mit Forderungen an die Branche zur sicherheitstechnischen Ausstattung der Fahrzeuge auffallend zurück. Dabei könnten jene strengen Sicherheitsauflagen als Vorbild dienen, die das Ministerium für den geplanten Feldversuch mit Lang-Lkw den teilnehmenden Fahrzeugen vorschreibt. Stichworte sind zum Beispiel Spurhalteleuchten für Gespanne, Heckkameras, Abstandsregelautomaten und Spiegelsysteme auf dem neuesten technischen Stand.
Als besonders wichtig unter den im Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen sieht der ARCD die Ausstattung von Motorrädern mit ABS-Systemen an. Sie hätten sich bei Tests als Sturz- und Schleuderschutz für die Fahrer voll bewährt. Verkehrsminister Ramsauer sagte in Berlin, dass er in Kontakt mit den Herstellern wegen einer freiwilligen Verpflichtung stehe. Der ARCD fordert hingegen einen verbindlichen Termin, zu dem die Hersteller alle neu auf den Markt kommenden Bikes ab der Hubraumklasse 125 ccm mit elektronischen Bremssystemen ausrüsten müssen - und zwar in naher Zukunft!
Der ARCD mahnt zudem seit Längerem ein Mehrphasen-Modell in der Ausbildung von jugendlichen Fahranfängern an. Länder wie Österreich hätten mit einer Lernzeitverlängerung über den Führerscheinerwerb hinaus bereits gute Erfahrungen durch rückläufige Unfallzahlen gewonnen, aus denen Deutschland nur lernen kann. Bei der Anhörung im Verkehrsausschuss gab es den Vorschlag, das begleitete Fahren ab 17 (BF17) auf mindestens 16-jährige Jugendliche auszudehnen - unter bestimmten Auflagen, wie spezielles Tempolimit und Verbot von Nachtfahrten. Aus Sicht des ARCD spricht nichts gegen einen zeitlich begrenzten und genau definierten Modellversuch für diese Altersgruppe. Zuvor aber sollten Politik, Verbände und die Wirtschaft alles dafür tun, um die Akzeptanz von BF17 zu erhöhen. Denn derzeit nutzt weniger als die Hälfte der Berechtigten dieses Angebot, das zu einer signifikanten Senkung der Unfallzahlen beiträgt.
Der ARCD unterstützt daneben auch den Vorschlag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), die Position eines Verkehrssicherheitsbeauftragten der Bundesregierung als Ansprechpartner und Koordinator für Wirtschaft und Politik, Verbände und Verbraucher zu schaffen. Eine vergleichbare Funktion auf EU-Ebene forderte bereits der Verkehrsausschuss im Europaparlament in einem Bericht an die Europäische Kommission. In der richtigen Besetzung könnte diese Position national und international für mehr Überblick und Kontrolle im Durcheinander der Maßnahmen sorgen, die auf dem Markt sind.