Der Wissenschaftliche Leiter der Hamburger BAT Stiftung für Zukunftsfragen präsentierte dabei keineswegs hellseherische Blicke in die Glaskugel, sondern seriöse Ergebnisse empirischer Forschungsarbeiten. "Wohin die Reise geht", lautete das übergeordnete Thema seines Vortrags - das keineswegs nur wortwörtlich gemeint war. Wenngleich der Zukunftsforscher sich auch kritisch mit dem künftigen Tourismus auseinandersetzte: Die Bundesbürger würden sich nämlich mehr und mehr von der Erlebnisgesellschaft abwenden. Die Folgen: "Reiselust ja - aber preisbewusst!" Was im Urlaub eher zähle als die großen Ereignisse und Erlebnisse, seien Atmosphäre und Stimmung, Harmonie und Geborgenheit.
Diese Werte spielten zunehmend auch eine wichtige Rolle fürs allgemeine Wohlbefinden: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten neigten die Menschen schon immer dazu, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen und sich von der Konsumgesellschaft abzuwenden. Neue Häuslichkeit und Sparen seien angesagt, das Anspruchsdenken sinke, eine neue Bescheidenheit halte Einzug. Ja selbst der Begriff "Wohlstand" erhalte eine neue Definition: Die Deutschen würden den ursprünglichen Wortsinn wieder entdecken, nämlich das "Wohlergehen - lieber gesund und glücklich als reich". Dazu passe auch die Suche nach einer neuen, besseren Lebensqualität: Immer wichtiger würden Existenzsicherung und Zukunftsvorsorge für sich selbst, die Kinder und Enkel, was auch die derzeit zu beobachtende Zurückhaltung beim Konsum und den Anstieg der Sparquote erkläre. Ins Zentrum rücke zunehmend die "Gewinnmaximierung des ganz persönlichen Lebens".
Dieser Wertewandel habe allerdings relativ geringe Auswirkungen auf die individuelle Mobilität der Bundesbürger: Das Auto sei für sie weiterhin ein "Multifunktionsmobil", auch wenn die Bewegungsfreiheit des Einzelnen doch erheblich eingeschränkt sei. "Drei Jahre seines Lebens verbringt der deutsche Autofahrer im Stau, viereinhalb Monate vor roten Ampeln." Und dennoch: "Trotz Stau ist die Lust größer als der Frust!" Immer noch, meint der Professor. Aber es könnte ein böses Erwachen geben, befürchtet er: "Die Klimakrise hat Deutschlands Autofahrer noch nicht erreicht. Vom Klimawandel zum Sinneswandel ist noch ein weiter Weg." Die Bundesbürger wollten zwar gern umweltfreundlich unterwegs sein - wenn der Fahrspaß dadurch nicht eingeschränkt werde. "Ein kleinerer Motor wird akzeptiert, wenn er eine große Leistung bringt", sagen 45 Prozent der von der BAT Stiftung für Zukunftsfragen interviewten Bürger. Ein Auto mit Biokraftstoffanteil (30 %) und Hybridantrieb (34 %) sei für sie zwar vorstellbar, viel wichtiger aber würden Klimaanlage (58 %) und Navigationssystem (54 %) eingeschätzt. Und auch ein attraktives Design dürfe nicht fehlen (36 %). Viele Bundesbürger hätten zudem die Befürchtung, geradezu "am Leben vorbeizuleben", wenn sie sich nicht regelmäßig in Bewegung setzen würden. Im subjektiven Empfinden wäre für sie eine Welt ohne Auto eine freudlose Welt: "Ganz schön traurig!" Über einhundert Jahre Automobilität hätten schließlich ganze Generationen geprägt und in der Sozialisation, im Aktivitäts- und Interessensspektrum sowie in den Lebensgewohnheiten der Menschen ihre nachhaltigen Spuren hinterlassen. Und, wie schon eingangs erwähnt: Alt sei man in Deutschland doch erst, wenn man nicht mehr Auto fahren könne. ARCD