Selbsthilfeangebote im Internet sind für bestimmte Personengruppen besonders geeignet und können die Arbeit der Selbsthilfegruppen vor Ort sinnvoll ergänzen und unterstützen. Hierzu zählen zum Beispiel Personen, die nur eingeschränkt mobil sind oder pflegende Angehörige, die kaum Zeit für den Besuch einer Selbsthilfegruppe haben. Auch für das Spektrum seltener Erkrankungen sowie bei psychosozialen Problemen und Anlässen ist die virtuelle Selbsthilfe wegen ihres niedrigschwelligen Zugangs und der Anonymität geeignet, die in der gegenseitigen Unterstützung liegenden positiven Effekte auf jeden Einzelnen zu entwickeln.
Zu dieser Erkenntnis kommen die Teilnehmer der Fachtagung "Neue Medien - neue Selbsthilfe?!", die heute in Berlin stattfand. Rund 200 Aktive in der Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung sowie Wissenschaftler und Fachleute folgten der gemeinsamen Einladung der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS), der BARMER GEK, dem AOK Bundesverband und dem BKK Bundesverband und diskutierten über Bedeutung und Qualität der neuen Medien für die Selbsthilfe.
Das Web 2.0 bietet Menschen mit chronischen Erkrankungen, gesundheitlichen Problemen, bei andauernden seelischen oder sozialen Belastungen und in besonderen Lebensphasen vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten. Im Internet können sich Betroffene über Erkrankungen und Behandlungen, Therapien und Unterstützungsangebote informieren. Neben Gesundheitsportalen von professionellen Akteuren und Angeboten mit kommerziellem Hintergrund finden Betroffene dort auch zunehmend fachliche Hilfen und emotionale Unterstützung durch andere Gleichbetroffene. Eine besondere Rolle spielen dabei Online-Foren, in denen sich die Betroffenen untereinander austauschen.
Fast die Hälfte der bundesweiten Selbsthilfevereinigungen betreiben mittlerweile Foren, Chats oder Blogs, um den Austausch von Betroffenen im Internet zu ermöglichen. Darüber hinaus finden sich im Internet aber auch zahlreiche Angebote, die von Betroffenen ohne Anbindung an die organisierte Selbsthilfe verantwortet werden. Virtuelle Austauschmöglichkeiten gibt es etwa zu Themen wie Schuppenflechte, Essstörungen, Depressionen oder Schlaganfall.
Bei der Tagung wurden in verschiedenen Fachbeiträgen Nutzen und Wirkung des Internets für die Selbsthilfe erörtert sowie Ergebnisse aus dem NAKOS-Projekt "Selbsthilfe und Neue Medien" präsentiert. In drei Arbeitsgruppen wurden Anforderungen an die Selbsthilfe im Internet sowohl unter der Perspektive des Daten- und Persönlichkeitsschutzes als auch unter Qualitätsaspekten diskutiert und Praxisbeispiele erörtert. Zudem wurde die druckfrische Broschüre "Internetbasierte Selbsthilfe" aus der NAKOS-Reihe Konzepte und Praxis vorgestellt.
Im Mittelpunkt der Diskussion standen dabei immer wieder Fragen wie "Was haben die virtuelle und die traditionelle Selbsthilfe gemeinsam und was trennt sie voneinander?" und "Wie können sie miteinander verbunden werden oder vielleicht sogar voneinander profitieren?"
Über virtuelle Selbsthilfeangebote können Interessierte auf die herkömmliche Selbsthilfe aufmerksam gemacht werden - im Idealfall lassen sich sogar Bindungen von Nutzern an eine bestehende Selbsthilfevereinigung oder -gruppe herstellen.
Interaktive Angebote zum Erfahrungsaustausch können zudem eine gute Möglichkeit sein, um Personen, die noch keine Erfahrung mit Selbsthilfegruppen haben, zu dieser Bewältigungs- und Arbeitsform "hinzuleiten". So erhält ein größerer Kreis von Betroffenen die Möglichkeit, von unterschiedlichen oder gleichgelagerten Erfahrungen anderer und vom gegenseitigen Austausch zu profitieren und Betroffenenkompetenz zu entwickeln.
Fazit: Die organisierte Selbsthilfe und die Selbsthilfeunterstützung sollten Brücken schlagen zu den virtuellen Selbsthilfeformen. Die Herausforderung besteht dabei darin, sich virtuellen und auch realen Formen der Begegnung und des Austausches zu öffnen, bei denen die Aktiven sich selbst gar nicht "der Selbsthilfe" zuordnen. Die internetgestützte Selbsthilfe sollte als Ergänzung, Bereichung und Erneuerung der gemeinschaftlichen Selbsthilfe betrachtet werden - keinesfalls als Bedrohung oder Abkehr von der traditionellen Selbsthilfe. Notwendig sind allerdings Qualitätskriterien für die Selbsthilfe im Internet vor allem in Bezug auf Datenschutz und Transparenz der Angebote.
Das Tagungsprogramm und weitere Informationen finden Sie im Internet unter:
http://www.nakos.de/...
Die NAKOS mit Sitz in Berlin ist eine Einrichtung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG). Als bundeszentrale Aufklärungs- und Netzwerkeinrichtung im Feld der Selbsthilfe bringt sie die Akteure zusammen und vertritt grundsätzliche Belange der Selbsthilfe in Öffentlichkeit und Politik. Als Service-Einrichtung bietet sie Bürgerinnen und Bürgern, Selbsthilfegruppen, Fachleuten und Medien vielfältige Informationen und Unterstützungsleistungen.
Die Angebote sind kostenlos und stehen allen Interessierten offen.