- Einige Baubetriebe auf der Kippe
- Häufig „Wildwest-Methoden“
- Nötigung an der Tagesordnung
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis der erste Baubetrieb in Niedersachsen aufgeben musste. Der Streik am Bau belastet Betriebe und Mitarbeiter. „Jede Stunde, die ausfällt, schlägt im Baubetrieb mit durchschnittlich rund 10 Euro zu Buche“, schätzt Michael Cuypers, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbandes Baugewerblicher Unternehmer Niedersachsen e. V. Nach elf Jahren der Krise halten das viele Betriebe nicht lange aus.
Derzeit werden rund 150 Baustellen in Niedersachsen bestreikt. Der Liquiditätsverlust infolge des Streiks ist vielfach existenzbedrohend. Und wenn dann auch die Banken nicht mehr mitspielen, ist es schnell passiert. So wie im Fall der Degenhard GmbH & Co. KG aus Burgdorf, einem Straßen- und Tiefbauunternehmen mit 53 Mitarbeitern, von denen sich der größte Teil im Ausstand befindet.
Auch andere Baubetriebe sind bedroht. Dabei ist es unerheblich, ob die Insolvenz allein auf Folgen des Arbeitskampfes zurückzuführen ist oder ob es noch andere Gründe dafür gibt.
„Nicht selten ist der Streik für den Betriebsinhaber der letzte Tropfen, der ihn bewegt aufzugeben, auch mental“, vermutet Cuypers. Die lange Durststrecke am Bau habe zahlreiche Firmen bis zum Letzten gefordert. Viele Inhaber hätten privates Vermögen eingesetzt, um den laufenden Betrieb fortführen zu können. „Die Preise, die erzielt werden konnten, waren kaum kostendeckend. Kalkulatorische Kosten oder Abschreibungen wurden nur selten verdient“.
Erst 2006 habe sich die Lage am Bau entspannt. Ursache dafür seien Sondereinflüsse, nicht zuletzt die höhere Verbrauchssteuer und das Auslaufen der Eigenheimzulage. Auch in diesem Jahr seien die Umsätze im Bauhauptgewerbe kräftig gestiegen. „Der Umsatzzuwachs bedeutet aber nicht zugleich ein Gewinnwachstum“, sagt Cuypers. „Die höheren Preise, die seit einiger Zeit am Markt erzielt werden können, reichen nicht aus, um die erhöhte Mehrwertsteuer und die stark gestiegenen Materialkosten aufzufangen.“
Nach wie vor verdienten viele Betriebe mit Bauleistungen kaum Geld. Mehrkosten seien deshalb kaum zu schultern. Auch mit Blick auf die eher ungewisse Entwicklung gerade im Wohnungsbau, dem typischen Betätigungsfeld der handwerklichen Betriebe, hätten die Obermeister der baugewerblichen Innungen in Niedersachsen mit deutlicher Mehrheit die Übernahme des Schlichterspruchs am Bau vom 19. Mai abgelehnt.
Nicht organisierte Unternehmen sind sechs Euro billiger
„Es geht nicht darum, die Löhne zu senken. Aber der Abschluss, der vorsieht, die Löhne und Gehälter in diesem Jahr um 3,5 % und im nächsten Jahr um nochmals 3,6 % zu erhöhen, ist einfach nicht darstellbar. Was unseren Mitgliedern besonders zu schaffen macht, ist die Konkurrenz zu den ostdeutschen und den nicht organisierten Baubetrieben,“ so Ulf Mosenthin, der Tarifexperte im Verband.
Der Tarifabschluss hätte die Schere zwischen den verbandsgebundenen Baubetrieben und den nicht organisierten Unternehmen noch weiter geöffnet. Diese könnten schon heute 15 Prozent billiger anbieten. „Rund 50 Prozent der Baubetriebe gehören keiner tarifschließenden Partei an. Für sie gilt nur der Mindestlohn als Richtschnur“, so Mosenthin. Wer mit einem Stundenverrechnungssatz kalkulieren müsse, der um sechs Euro über dem der Konkurrenten liege, habe kaum Aussicht auf Aufträge. „Unsere Mitglieder können sich nur behaupten, weil sie eine Mischkalkulation aufstellen. Dort, wo es möglich und sinnvoll ist, werden eigene Leute durch billigere Nachunternehmer ergänzt.“ Je höher die Löhne und Gehälter im Vergleich zu den anderen Anbietern steigen, um so schwieriger sei es, die Aufträge mit den eigenen Leuten abzuwickeln. Im Wettbewerb um die Bauaufträge zähle nun einmal fast nur der Preis.
Vier von fünf Streiks in Niedersachsen von außen aufgezwungen
„Was uns und natürlich vor allem die Mitglieder trifft, ist die Art und Weise, wie der Arbeitskampf von der Gewerkschaft geführt wird. Vier von fünf Streiks in Niedersachsen werden von außen aufgezwungen“, meint Mosenthin. Die Fälle, wo die Arbeitnehmer selbst die Arbeiten niederlegen, ließen sich an einer Hand abzählen.
Oft würden die Baustellen durch Maßnahmen stillgelegt, die an Wildwest-Methoden erinnerten. „Zufahrten werden versperrt, Schlösser verklebt, Stromkabel entfernt, die Mitarbeiter bedroht und eingeschüchtert – die ganze Palette“, sagt Mosenthin. Nötigung nennt das der Jurist, und die ist illegal. „Nötigung als Straftat stellt ein Vergehen dar.
Hier müsste die Polizei einschreiten.“ Der Verband habe das Innenministerium bei der Verfolgung und Feststellung rechtswidriger Handlungen durch die Polizei um Hilfe gebeten. „Die Antwort aus dem Ministerium kam prompt. Die Polizei wird entsprechend agieren, heißt es. Sollten die Behörden keine Abhilfe schaffen, ist der betroffene Unternehmer gezwungen, sich mit einer Unterlassungsklage zur Wehr zu setzen.“ Auch dies sei schon vorgekommen.
Motivationstrupps schüchtern Mitarbeiter ein
Die eigenen Mitarbeiter könnten oft nur zuschauen, wie die von der IG BAU organisierten
„Motivationstrupps“ die Baustellen dichtmachen. Die Motivationstrupps bestünden oft aus Funktionären der IG BAU, Rentnern und Streiktouristen aus anderen Bundesländern.
Auch die Belegschaft anderer Betriebe würde zu den Baustellenbesetzungen herangezogen. „Ob die Beschäftigten die Besetzung ihrer Baustelle gutheißen, ob sie damit einverstanden sind, das interessiert dabei nicht. Ob ihnen der Chef die Lohnerhöhung bereits zugesichert hat, wegen der die IG BAU streikt, interessiert ebenfalls nicht.“
Ein Unternehmer, der sich bereit erklärt habe, den Schlichterspruch zu übernehmen und der auf Wunsch der IG BAU auch den Verband dazu aufgefordert habe, sei darüber hinaus aufgefordert worden, 60 Leute und vier Fahrzeuge abzustellen, damit die Baustellen anderer Betriebe ebenfalls lahmgelegt werden können, berichtet Mosenthin.
„Ob die Firma am Ende draufgeht, ob der Bauherr den Betrieb vom Hof jagt und andere beauftragt, das ist alles ganz egal“, weiß Mosenthin zu berichten. „Viele Unternehmer könnten diese Haltung nicht verstehen. Auch deshalb überlege der eine oder andere, wie lange er sich das alles noch antun soll und ob es unter den gegebenen Umständen angezeigt sei, das Geschäft am Ende eines harten Arbeitslebens nicht einfach für immer zu schließen. Ich kann das nachvollziehen“, so Mosenthin.