Kay Preißinger vom Landesinnungsverband des Bayerischen Dachdeckerhandwerks ist skeptisch: „Eine morsche Holzbrücke wird auch nicht plötzlich wieder sicher begehbar, nur weil sie neu gestrichen wurde“. Sein Vergleich zeigt, was bei der Dachbeschichtung eigentlich angeboten wird: optische Kosmetik.
Der Dach-Experte erklärt, dass eine Dacheindeckung natürlich ungeschützt allen Umwelteinflüssen über Jahrzehnte hinweg ausgesetzt ist. Dies führt naturgemäß zu einer Alterung. Diese aber kann durch eine Beschichtung nicht rückgängig gemacht werden. Nach Preißingers Erfahrung argumentieren viele Dachbeschichter damit, dass Ziegel und Dachsteine porös würden und Nässe wie einen Schwamm aufsaugten. Dies solle die Beschichtung verhindern.
„Da vor jeder Dachbeschichtung eine gründliche Dachreinigung Voraussetzung ist, frage ich mich, wie das danach offenbar vor Nässe triefende Dach getrocknet wird, um die Beschichtung aufzubringen“, rätselt Preißinger. Außerdem muss das Dach völlig frei von Rückständen und Ölen bzw. Fetten sein, was den Einsatz von Reinigungsmitteln voraussetzt. Und wohin werden diese belasteten Abwässer eingeleitet? Bei asbesthaltigen Eindeckungen ist eine Reinigung übrigens gesetzlich verboten.
Nicht gereinigt werden die überdeckten Bereiche der Dachziegel und Dachsteine. Bei der anschließenden Beschichtung werden diese ungereinigten Bereiche dann offenbar „versiegelt“. Der über die gesamte Dachfläche durchgängige „Schutzfilm“ wird leider durch die unvermeidbaren Bewegungen der Dachelemente bei Wind aufgebrochen.
„Die nachträgliche Beschichtung ist auch nicht vergleichbar mit von Werk an durchgefärbten oder mit einer Engobe beschichteten Eindeckung“, erklärt der Dach-Fachmann. Hier bilden Farbe und Trägermaterial eine homogene Einheit, die bei einer nachträglichen Beschichtung nicht gegeben ist.
Nicht zu vernachlässigen ist auch der Aspekt der Entsorgung. Während Dachziegel und Dachsteine für vielfältige weitere Verwendungen recycelt werden können, wirft das bei den meist mit Reinacryl beschichteten Eindeckungen Fragen auf.
Preißingers Fazit: „Das Versprechen vieler Dachbeschichter, die Lebensdauer der Eindeckung würde um 10 Jahre verlängert, ist nicht nur unbewiesen, sondern wird auch teuer erkauft. Denn selbst wenn dies zuträfe, wird eine Neueindeckung damit nur um einige Jahre verschoben“. Somit ist für ihn die „einzig sinnvolle Alternative zur Beschichtung“ die Neueindeckung.
Ob die allerdings wirklich notwendig ist, kann nur ein Dachdecker-Fachbetrieb entscheiden. Und der kann über die regionale Dachdecker-Innung oder im Internet gezielt gesucht und gefunden werden unter www.dachdecker.bayern.