Ein Missbrauch soll nach der Neufassung jetzt vorliegen, wenn der Steuerzahler eine ungewöhnliche Gestaltung gewählt hat, für die er - der Steuerzahler - keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe nachweisen kann.
Offen ist, was unter „ungewöhnlich“ zu verstehen ist. Ungewöhnlich für die Finanzbeamten dürfte sein, wenn Steuern gespart werden. Für den Steuerzahler dürfte es sich hingegen eher um eine gewöhnliche Gestaltung handeln, da Steuern sparen grundsätzlich legal und legitim ist. Ungewöhnlich soll eine Gestaltung sein, die nicht der Gestaltung entspricht, die vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsanschauung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele vorausgesetzt wurde. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „Wille des Gesetzgebers“ und „Verkehrsanschauung“ werden in der Praxis zu massiven Problemen führen. Zahlreiche zusätzliche Rechtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert. Sicherheit kann der Steuerzahler nur über eine verbindliche Auskunft erhalten, für die er dann allerdings bezahlen muss.
Damit wird, entgegen der bisherigen Rechtslage, die Beweislast umgekehrt. Dem Steuerzahler werden zusätzliche Darlegungs- und Beweislastpflichten auferlegt. Die geplante Neuregelung ist ein weiterer Beweis für die zunehmende Gängelung der Steuerzahler durch den Fiskus. Erlaubt ist nicht mehr, was das Gesetz zulässt, sondern was der Fiskus als Wille des Gesetzgebers interpretiert.
Die jetzige Missbrauchsregelung wurde durch Rechtsprechung untermauert und beschränkt sich auf die Fälle des tatsächlichen Missbrauchs. Anscheinend genügt das der Bundesregierung nicht. Würden die Pläne Wirklichkeit, droht den Steuerzahlern weitere Rechtsunsicherheit und das deutsche Steuerrecht würde auf noch weniger Akzeptanz stoßen. Steuersatzsenkungen, wie in der jüngsten Unternehmensteuerreform, reichen nicht aus, um Bürger und Unternehmen in Deutschland zu halten, betonen die Verbände. Ein gesundes Steuerklima mit Rechtssicherheit und gleichmäßiger Kräfteverteilung zwischen Steuerzahlern und Finanzverwaltung gehört ebenso dazu!