„Patientenorientierte Hilfsmittelversorgung ist immer individuell und oftmals komplex“, erklärte Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT). „Sie kann nur im engen Dialog im Expertenteam mit den Patienten gemeistert werden. Für den Erfolg ist immer ein individuelles Versorgungskonzept mit Hilfsmitteln entscheidend, das das Rehabilitationsziel definiert und durch die Versorgung die Lebensqualität des Patienten im Alltag nachhaltig verbessert. Qualitätsstandards und Versorgungspfade dienen hierfür als gute Grundlage. Hinzu muss aber das eigene Nachdenken über individuelle, am Patienten orientierte, Lösungen kommen.“ Alf Reuter leitete mit Unfallchirurg Dr. med. Thomas Kern die Auftaktsession „Orthopädietechnische Versorgung oder operative Rekonstruktion bei kongenitalen und erworbenen Defekten“, der ersten Kooperation der TTO-Veranstalter mit der Gesellschaft für Extremitätenverlängerung und ‑rekonstruktion e. V. (GEVR). Aussage nicht nur dieser Session: Operieren oder technisch versorgen? Beides!
Wie weit der interdisziplinäre Dialog bereits fortgeschritten ist, zeigten Vorsitzende, Referenten und Experten im Publikum in den vier Sessions des gut besuchten TTO: „Orthopädietechnische Versorgung oder operative Rekonstruktion bei kongenitalen und erworbenen Defekten“, „Orthopädieschuhtechnik“, „Leitlinien und Versorgungspfade der Hilfsmittelversorgung im Alltag?“ und „Interdisziplinären Behandlung von Amputationen der unteren Extremität“. Der BIV-OT, die VTO, die Initiative ’93 und die DGIHV hatten gemeinsam zum mittlerweile 10. Tag der Technischen Orthopädie (TTO) eingeladen.
Großes Interesse am Qualitätsstandard im Bereich Fuß und Schuh
Mehr als fünf Millionen Versorgungen im Bereich Einlagen und Schuhe werden jährlich in Deutschland durgeführt. Der VTO und der Zentralverband der Orthopädieschuhtechnik (ZVOS) widmeten sich daher gemeinsam dem Thema „Orthopädieschuhtechnik“. OSM Frank Schievink organisierte zusammen mit Prof. Dr. med. Dipl. oec. Bernhard Greitemann die Session. Zu den besonderen Highlights gehörte die Vorstellung des druckfrischen Kompendiums der DGIHV „Qualitätsstandard im Bereich Fuß und Schuh“ durch Dr. Hartmut Stinus, der gemeinsam mit dem Orthopädieschuhmacher-Meister Michael Möller die Schriftleitung des Kompendiums innehatte. Das Kompendium stieß im Publikum auf großes Interesse.
Noch mehr Studien braucht das Land
„Expertenmeinung ist auch Evidenz“, betonte Prof. Greitemann. „Der Nachweis von Evidenz in einigen Gebieten der Einlagenversorgung ist noch verbesserungswürdig. Ich rufe die Kolleginnen und Kollegen auf, randomisierte, kontrollierte Studien in diesen Bereichen aufzusetzen.“ Sein Appell passte zum dritten Themenblock „Leitlinien und Versorgungspfade der Hilfsmittelversorgung im Alltag?“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Franz Braatz und Prof. Greitemann. Beide Chairs unterstrichen die Bedeutung von Kompendien. Diese unterstützen die qualitätsgesicherte Hilfsmittelversorgung in Deutschland, erleichtern die Arbeit der Orthopädie(schuh)technikern und dienen Ärzten bei der Verordnung und Mitarbeitern der Kostenträger bei der Beurteilung als Orientierung. „Deshalb arbeitet die Deutsche Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung (DGIHV) derzeit an einem digitalen Qualitätsstandard zum riesigen Feld der Orthetik“, wie Kirsten Abel von der DGIHV in Berlin erklärte.
Dass die Anwendung von Qualitätsstandards den Versorgungsablauf unterstütze, äußerten ebenfalls die Referenten des vierten und letzten Themenblocks „Interdisziplinäre Behandlung von Amputationen der unteren Extremität“ – eine Kooperation von BIV-OT und VTO – unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Frank Braatz und Merkur Alimusaj.