"Die Nahrungsmittelmärkte dürfen nicht zum Objekt von Spekulanten werden. Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe sind kein Produkt wie jedes andere. Es geht um die Lebensgrundlage von Milliarden Menschen", sagte Aigner. Von den rapiden Preissteigerungen etwa bei Weizen oder Mais seien besonders die notleidenden Menschen in Entwicklungsländern betroffen. "Wir bekennen uns zum Menschenrecht auf Nahrung. Die internationale Gemeinschaft steht hier in der Verantwortung, diesem Menschenrecht Geltung zu verschaffen", so Aigner.
Es sei nur in eng abgestimmter, internationaler Zusammenarbeit möglich, übermäßige Spekulation mit Agrarrohstoffen einzuschränken, so die Ministerin: "Die Herausforderung besteht darin, die kapitalmarktgesteuerten Spekulationen so zu begrenzen, dass die Stabilisierungseffekte der Warenterminbörsen erhalten bleiben. Denn Landwirte und Ernährungswirtschaft brauchen weiterhin die Möglichkeit, ihre Preise über die Terminbörsen abzusichern." Oberstes Gebot sei mehr Transparenz, sagte Aigner. "Es muss für alle Seiten erkennbar sein, welche Gruppen sich auf dem Rohstoff-Finanzmarkt betätigen und wer Waren kauft. Das können Rohstoffhändler sein, die ihr Risiko absichern, aber eben auch reine Finanzjongleure, die um den schnellen Profit pokern. Ein Transaktionsregister schafft Transparenz und damit die Möglichkeit, notfalls zu intervenieren." Zudem sprach sich Aigner für regelmäßige Berichtspflichten für die Warenterminbörsen aus, wie sie in den USA längst üblich sind. Eine weitere Herausforderung bestehe darin, Überreaktionen zu dämpfen und eine Manipulation der Preise zu verhindern. Erwägenswert sei die Möglichkeit, Limits stärker zu nutzen - Positionslimits und Preislimits zur Begrenzung täglicher Schwankungen, die bereits bei einigen Kontrakten für bestimmte Akteure existieren. Denkbar wären realistische Grenzen für die täglichen Preisschwankungen bei bestimmten Produkten wie Getreide oder Soja an Warenterminbörsen. Werden diese Limits überschritten, könnten automatisch die Aufsichtsbehörden einschreiten und entscheiden, ob sie den Handel vorübergehend aussetzen.
Nach Prognosen des Bundesagrarministeriums wird sich der Trend zu steigenden Lebensmittelpreisen in den kommenden Monaten fortsetzen, auch wenn die Welternährungsorganisation FAO für 2011 und 2012 einen Anstieg der Nahrungsmittel-Erzeugung in Aussicht stellt. In Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen die Menschen bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrung ausgeben müssen, haben die Preiserhöhungen zum Teil dramatische Auswirkungen, auch aufgrund der schlechten Eigenversorgung.
Für den weltweiten Anstieg der Agrarrohstoffpreise gibt es neben den zunehmenden Rohstoff-Spekulationen auf den Agrar-Märkten zahlreiche Gründe. Eine der Hauptursachen ist das enorme Wachstum der Weltbevölkerung. Jedes Jahr wächst die Menschheit etwa um 80 Millionen - im Jahr 2050 werden Schätzungen zufolge 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um dann alle Menschen zu ernähren, müsste die weltweite Nahrungsmittelproduktion laut FAO um 70 Prozent gesteigert werden. Gleichzeitig ist weltweit ein Wandel des Konsums im Zuge steigenden Wohlstands in den Schwellenländern zu beobachten. Dort wächst die Nachfrage nach veredelten und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Auch Kostensteigerung bei Öl, Gas und Löhnen verteuern die Lebensmittel spürbar; vor allem in Industrieländern wie Deutschland fallen diese Faktoren stärker ins Gewicht als die Rohstoffpreise selbst. Neben der verstärkten Nachfrage nach Bioenergie sind ein weiterer Faktor witterungsbedingte Ernteausfälle in wichtigen Anbauländern wie etwa die schweren Waldbrände in Russland 2010, die jüngsten Überschwemmungen in Australien oder die Trockenheit in China. Viele solcher Naturkatastrophen sind durch den Klimawandel hervorgerufen. Die globale Erwärmung bringt extreme Wetterlagen und in zahlreichen Ländern sinkende Erträge mit sich.