Das ist vor allem ein Verdienst des Mittelstands, aber ist es auch ein Verdienst der Landesregierung?
Fakt ist, dass die Veränderungen auf Landesebene für den Mittelstand eine eher untergeordnete Rolle spielen. Die internationale Konjunktur kann sie nicht beeinflussen, und wichtige Themen wie das Steuerrecht sind auf Bundesebene angesiedelt. Aber Landespolitik kann initiativ werden. Leider werden gute Ansätze aus NRW, wie zum Beispiel des Konzept des Finanzministers Linssen zur Unternehmenssteuerreform, in Berlin viel zu leise propagiert. Mehr Mut hätte sich der Mittelstand auch in der Frage der GEZ-Gebühren auf Computer gewünscht: Fürsprache für kleine und mittelständische Unternehmen hätte bedeutet, sich der Forderung nach einem Moratorium anzuschließen.
Die Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung des Mittelstands basieren vor allem auf organisatorischen Änderungen und einem neuen Vokabular. Hinter der 'kreativen Ökonomie' steckt auch die Förderung von Industrie-Clustern, wie sie ganz ähnlich auch schon von der rot-grünen Vorgängerregierung betrieben wurde. Die Mittelstandspakete I-III enthalten einige sinnvolle Detailmaßnahmen, das große Ärgernis 'Bürokratiebelastung' lässt sich durch die Mittelstandspakete aber nicht spürbar verringern. Sehr positiv kommt im Mittelstand die Arbeit der NRW.Bank an, die mit erheblichem Volumen und vielen neuen Produkten auf der Finanzierungsseite Unterstützung anbietet.
Im Bereich der Regional- und Strukturförderung hat sich die Landesregierung eine wettbewerbliche Vergabe der EU-Mittel zum Ziel gesetzt. Aber das Rahmenprogramm, das bis 2013 läuft, ist zu starr, um auf neue Herausforderungen zu reagieren. Es basiert auf statistischen Werten aus 2005. Damals ahnte kaum jemand den starken Rückgang der Arbeitslosigkeit bis heute voraus. Dazu Herbert Schulte von der Landesgeschäftsführung des BVMW NRW: "Statt Beschäftigungspolitik zu betreiben, ist es heute ein drängenderes Problem, unternehmerischen Nachwuchs heranzubilden, auch um das Problem der Unternehmensnachfolge zu entschärfen. In Zeiten der Globalisierung ändern sich Märkte schneller als früher. Wirtschaftspolitik muss darauf flexibel reagieren, 7-Jahresprogramme sind keine angemessene Antwort."
FAZIT: Ministerin Thoben profitiert von der starken Konjunktur. Da wird Mittelstandspolitik zum Selbstläufer. Die Ministerin überzeugt persönlich durch eine hohe mittelstandsspezifische Kompetenz. Aber in ihrem Haus hat der in den letzten 30 Jahren gepflegte Gedanke, dass Wirtschaft langfristig gesteuert und gelenkt werden kann, noch viele Anhänger. Zudem: Angetrieben durch die mediale Aufmerksamkeit widmen sich Ministerpräsident Rüttgers und Wirtschaftsministerin Thoben auch gerne den 'großen Themen' BenQ oder RAG. Die Rolle des Mittelstands wird zwar betont, aber er steht nicht im Zentrum der Regierungspolitik der NRW-Landesregierung. Bei der anstehenden Debatte um den Paragraphen 107 der Gemeindeordnung hat die Landesregierung demnächst wieder Gelegenheit, ihre Mittelstandsfreundlichkeit unter Beweis zu stellen.