Das Bundesverwaltungsgericht hat nun letztinstanzlich die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung für teilweise nichtig erklärt (Urteil vom 26.11.2014 - 6 CN 1.13). Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken sowie in öffentlichen Bibliotheken an Sonn- oder Feiertagen sei nicht aufgrund besonderer, schützenswürdiger Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, da DVDs, Computerspiele oder Bücher vorausschauend schon an Werktagen auch für die Wochenenden ausgeliehen werden können. Das Gericht sieht dies entsprechend streng auch für Lotto- und Totogesellschaften.
Eine nicht unerhebliche Bedeutung wird aber vor allem die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf eine Sonn- und Feiertagsbeschäftigung in Callcentern haben. So ist die in der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung vorgesehene generelle Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsbeschäftigung in allen gegenwärtig und künftig vorhandenen Callcentern, gleichgültig für Unternehmen welcher Branche oder für welchen Tätigkeitsbereich das Callcenter tätig wird, gesetzeswidrig. Eine so weitreichende Gestattung der Sonn- und Feiertagsarbeit in Callcentern sei nicht erforderlich, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeiten im Callcenter an Sonn- und Feiertagen generell nicht zulassungsfähig wären. Vielmehr sind die jeweiligen Landesregierungen aufgefordert, ihre entsprechenden Rechtsverordnungen differenzierter zu gestalten und sorgfältig zwischen notwendiger und nicht notwendiger Sonn- und Feiertagsarbeit zu unterscheiden. Vergleichbares gilt für die Bereiche der Getränkeindustrie und den Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis.
Soweit sie die Sonn- und Feiertagsarbeit im Buchmachergewerbe für zulässig erklärt, ist die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung indessen nicht zu beanstanden, so das Bundesverwaltungsgericht. Die Verordnung erstreckt die Zulässigkeit nämlich nur auf die Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen, die an Sonn- und Feiertagen stattfinden. Das setzt notwendigerweise voraus, dass diese Veranstaltungen zulässigerweise an Sonn- und Feiertagen stattfinden, z.B. Rennsportveranstaltungen, etwa auf Pferderennbahnen. Dann dürfen auch Wetten an diesen Tagen (aber nur an der Stätte der Veranstaltung) bei Buchmachern platziert werden. Eine Vorausplanung wie bei Lottospielen oder zur Befriedigung des Homeentertainmentbedarfs ist hier kaum praktikabel.
Fazit für die Praxis:
Die teilweise Nichtigkeit der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung ist für die betroffenen Unternehmen sehr misslich. Beruht der Einsatz ihrer Mitarbeiter an Sonn- und Feiertagen ausschließlich auf dem nichtigen Teil der Verordnung, muss der Arbeitgeber handeln. Handeln sollten aber auch Unternehmen in anderen Bundesländern. Soweit dort vergleichbare Regelungen bestehen, wären auch diese rechtswidrig, aber immerhin bis zur gerichtlichen Feststellung ihrer (teilweisen) Nichtigkeit rechtswirksam.
Alle Unternehmen (auch außerhalb Hessens), die Mitarbeiter bislang auf der Grundlage landesrechtlicher Verordnungen an Sonn- und Feiertagen beschäftigen, sollten vorsorglich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde (in der Regel die Ordnungs- und Gewerbeaufsichtsämter) eine Einzelfallgenehmigung beantragen. Soweit die Genehmigung erteilt wird, ermöglicht dies dem Arbeitgeber seine Mitarbeiter auch an Sonn- und Feiertagen einzusetzen. Der Antrag kann formfrei gestellt werden. In ihm muss dargelegt werden, warum die Sonntagsarbeit im jeweiligen Betrieb zwingend erforderlich ist und die Sonntagsruhe hierhinter zurück tritt. Es ist darüber hinaus ratsam, auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Genehmigung hinzuweisen. Im Einzelfall ist zusätzlich ein Antrag an das zuständige Verwaltungsgericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht zu ziehen. Hierdurch kann im Eilrechtsschutz eine vorläufige Genehmigung erwirkt werden, sofern der Arbeitgeber darlegen kann, dass sowohl die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung vorliegen, als auch die Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung besteht, um finanzielle oder sonstige Schäden abzuwenden.