Revitalisierung besitzt Priorität
"Wir gehören zu den wenigen Genossenschaften in Deutschland, die ihren Mitgliedern über eine eigene Bank ermöglicht, zu günstigen Bedingungen zu sparen", stellte Vorstandsmitglied und Architekt Hans-Joachim Jäger fest. Das bekomme der Liquidität und schaffe finanzielle Reserven für die ständige Aktualisierung des Angebots an gutem und preiswertem Wohnraum. Seit Mitte der 90er Jahre sieht die BBG ihre vorrangige Aufgabe darin, den Bestand zu revitalisieren. "Eine über hundert Jahre alte Genossenschaft hat es naturgemäß auch mit alten Wohnungen zu tun."
Der Walkürenring ist eine der Lebensadern des Siegfriedviertels. Der Straßenzug umschließt das hufeisenförmig angelegte Quartier mit seiner kompakten mehrgeschossigen Wohnbebauung im Halbkreis und öffnet sich mit zwei großen Höfen nach innen. Die dreigeschossigen Häuserzeilen sind aus Vollsteinklinkern gebaut und besitzen ideenreich gegliederte Fassaden. Unterschiedliche Bauzeiten und Handschriften haben eine identitätsstiftende Vielgestaltigkeit hervorgebracht, die dem Walkürenring seinen Reiz verleiht. Der Bauhausstil hat seine Spuren ebenso hinterlassen wie starke expressionistische Einflüsse sichtbar sind. Besonders ins Auge fallen die geschossübergreifenden Dreieckserker und die durch Backsteinklinker akzentuierte Eingangs- und Flurbereiche. An die schmucklosen funktionalen Rückfronten schließt sich das grüne Band der Gärten an.
Unter einen Hut gebracht
Die BBG hat ihr Mitte der 90er Jahre beschlossenes Sanierungs- und Modernisierungsprogramm zielstrebig in die Tat und dabei zunehmend auf Komplexität gesetzt. Das Spektrum der Maßnahmen erstreckt sich heute von der Strangsanierung über die Wärmedämmung bis hinein ins soziale Umfeld. Der Walkürenring erwies sich als besondere Herausforderung. "Es ging darum, unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte die wertvolle Bausubstanz zu erhalten und zugleich ihre Energieeffizienz zu verbessern", formulierte Vorstandsmitglied Jäger die Zielstellung. Wer vermieten wolle, könne nicht nur auf die Schönheit des Alters verweisen, sondern müsse zeitgemäße Angebote machen.
Doch bis zu diesem Zeitpunkt schien es ein eherner Grundsatz der Denkmalpflege zu sein, dass sich das Aufbringen von Wärmedämm-Verbundsystemen auf geschützte Fassaden von selbst verbietet, um die Originalität der Bausubstanz zu bewahren. Andererseits ist die Vermietung von Wohnungen die erste Bürgerpflicht eines Wohnungsunternehmens, was jedoch angesichts eines reichlichen Angebots auf dem Wohnungsmarkt bei fehlendem Komfort und steigenden Heizkosten schwer zu machen ist. Die von der Denkmalpflege immer wieder ins Spiel gebrachte Innendämmung löst das Problem nicht, weil sie den Wohnraum verkleinert und damit den Wohnkomfort einschränkt. "Es ging um nicht mehr und nicht weniger als den Abgleich von bauphysikalischen Mindestanforderungen und Obergrenze des optisch Vertretbarem aus denkmalpflegerischer Sicht", brachte es Jäger auf den Punkt. Die beiderseitige Akzeptanz der vorgebrachten Argumente und die gemeinsame Suche nach einem Weg bildete die wichtigste Voraussetzung für eine einvernehmliche Lösung.
Obwohl die BBG über eine leistungsfähige technische Abteilung verfügt, suchte sie bei der konzeptionellen Vorbereitung des Sanierungsvorhabens den Schulterschluss mit Experten aus Baupraxis und Industrie. Über ein umfangreiches Know-how in Sachen Wärmedämmung verfügt zum Beispiel der namhafte Hersteller Caparol, der im Ergebnis umfangreicher eigener Forschung immer wieder mit innovativen Entwicklungen aufwartet. "Wir leisten unseren Beitrag, die Antipoden Denkmalpflege und Dämmung miteinander zu versöhnen", kommentierte Dr. Christian Brandes von der Caparol-Baudenkmalpflege. Es sei darum gegangen, die Befürchtungen, dass ein WDVS das Erscheinungsbild der Fassaden stark verändere, durch eine schonend und flexibel anwendbare Strategie, die die Substanz weitgehend im Originalzustand beließ, zu zerstreuen.
Die letztlich realisierte Lösung war das Ergebnis intensiven und kreativen Bemühens aller Beteiligten. Baugenossenschaft und Denkmalpfleger kamen überein, die Fassaden mit einem Capatect-WDVS in einer Stärke von 40 Millimeter zu dämmen, das sich nahtlos an den vom Sockel gebildeten Mauervorsprung anschloss. "Die Profile wurden vermessen", erläuterte der Leiter des Bereichs Technik der BBG, Michael Gorschlüter, "und beim Hersteller in Auftrag gegeben". Solche Profile aus dem Leichtbaustoff Capapor lassen sich in höchster Qualität und Genauigkeit herstellen und ebnen damit der denkmalgerechten Fassadensanierung erst den Weg. Gartenseitig beträgt die Dämmstärke 100 Millimeter. Komplettiert wurde die Dämmung der Gebäudehülle durch die Einbeziehung von Dachboden und Kellerdecke sowie den Einbau wärmeisolierter Sprossenfenster, die unverzichtbar zum Fassadenbild gehören. Zu den Komfort verbessernden Maßnahmen zählten neben der Strangsanierung die Modernisierung der Bäder und der Anbau von Balkons mit Blick auf die Gärten.
Authentizität weitgehend erreicht
Wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, macht auch ein überzeugendes System noch keine gelungene Sanierung. Seine Umsetzung müsse in die Hände eines leistungsfähigen Verarbeiters gelegt werden, unterstrich Planer und Objektberater Gerhard Kräuter, der das Vorhaben umsichtig begleitete und Ansprechpartner auf der Baustelle war. In einer beschränkten Ausschreibung der ersten beiden Bauabschnitte setzte sich die Habekost GmbH aus Hildesheim durch. "Wir sanieren seit vielen Jahren Fassaden, die unter Denkmalschutz stehen, und haben die Erfahrung gemacht, dass Authentizität nur zu erreichen ist, wenn das angewandte System in sich stimmt", unterstrich Geschäftsführer Mathias Teichert. Caparol verfüge sowohl über das geeignete flexibel einsetzbare Wärmedämm-Verbundsystem als auch die benötigten Profile. Für die qualitäts- und termingemäße Erfüllung des Auftrages der BBG, der von der Dimension her hohe Anforderungen gestellt habe, besitze die Firma ein eingespieltes Team. Dank guter Abstimmung mit Auftraggeber und Systemhersteller habe es keine Verzüge und ein verständnisvolles Verhältnis zu den Mietern gegeben.
Zunächst sei der Putz ausgebessert und gereinigt worden, ehe die Dämmung auf der Fassade befestigt und die Armierung aufgetragen wurde. Nach dem An-und Einpassen der Profile habe die Fassade mit Amphisilan-Putz ihren Schliff erhalten. Im Interesse der Langlebigkeit fiel die Wahl auf eine gröbere Körnung. Erfahrungsgemäß neigen feinstrukturierte Putze zu Rissbildung.
Skepsis ist verflogen
Die Farbgebung orientierte sich an alten und neuen Befunden. Bereits 1984 hatte eine flächendeckende Befundermittlung im denkmalpflegerischen Kernbereich grundlegende Erkenntnisse zur Farbigkeit der Fassaden gebracht. Neuere von der BBG in Auftrag gegebene sowie zusätzlich von Caparol vorgenommene Untersuchungen vermittelten ein differenzierteres Bild. Das vorgefundene Wechselspiel von roten und weißen Farbtönen bildete die Grundlage für die aus dem FarbDesignStudio von Caparol stammenden ersten Farbentwürfe, die unter Federführung von Farbdesignerin Sylvia Heitmüller in gemeinsamer Absprache vor Ort weiter präzisiert wurden. Mit Nachdruck verwies die Designerin darauf, dass es darauf ankomme, die Befunde zu interpretieren. Bei der Visualisierung hätten die eigens dafür angefertigten Collagen gute Dienste geleistet.
Die Sanierung des Walkürenrings ist weitgehend abgeschlossen. "Es ist uns als Wohnungsunternehmen ein Bedürfnis, die Quartiere nicht nur als Wohnstätten, sondern als baukulturelle Zeitzeugen zu erhalten", resümierte Architekt Hans-Joachim Jäger. Im konkreten Falle ist beides gelungen. "Die Sanierung hat mir ein wunderschönes Bad, einen Balkon und den Anblick einer Fassade gebracht, die immer strahlt, als ob die Sonne aufgeht", sagt Elfriede Sikora und wird darin unterstützt von Jürgen Verwohl, gleichfalls im Walkürenring beheimatet, der zunächst den rosaroten Farbtönen der Fassade skeptisch gegenüberstand, aber jetzt die Sanierung als eine "tolle Sache" bezeichnet.