Die Kläger hatten im Jahr 2012 einen VW Sharan als Neuwagen für rund 35.000 Euro gekauft. Unter der Haube steckt bei dem Fahrzeug der Dieselmotor des Typs EA 189, der wie sich im September 2015 herausstellte, im großen Stil von Abgasmanipulationen betroffen ist. Die Folgen sind bekannt: Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt und die Installation eines Software-Updates.
Die Kläger ließen das Update zwar aufspielen, machten im Februar 2019 aber auch Schadensersatzansprüche geltend. Das OLG Stuttgart gab den Klägern Recht. VW habe das Fahrzeug unter Geheimhaltung der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht. So sei nur vorgetäuscht worden, dass die Emissionswerte eingehalten werden. Tatsächlich wurden die Grenzwerte überschritten, so dass der Entzug der Zulassung des Fahrzeuges gedroht habe, so das OLG. Die Täuschung sei auch kausal für die Kaufentscheidung der Kläger gewesen, denen schon durch Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden sei.
Weiter führte das Gericht aus, dass VW auch sittenwidrig gehandelt habe. Aus Profitstreben seien Behörden und potenzielle Kunden getäuscht worden. Die Schädigung der Kunden und der Umwelt sei dabei in Kauf genommen worden. Das Verhalten von VW sei daher als besonders verwerflich und sittenwidrig zu beurteilen. Zudem sei ein Schädigungsvorsatz und die Kenntnis der Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gegeben. VW sei daher zum Schadensersatz verpflichtet. Daran ändere auch das Aufspielen eines Software-Updates nichts. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs müsse VW den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten. Unterm Strich erhalten die Kläger knapp 25.000 Euro plus Zinsen.
So wie das OLG Stuttgart haben inzwischen die meisten Landgerichte und auch Oberlandesgerichte entschieden, dass VW im Abgasskandal zu Schadensersatz verpflichtet ist. „Bemerkenswert ist aber, dass der 7. Zivilsenat des OLG Stuttgart klarstellte, dass die Ansprüche auch bei Klageerhebung 2019 nicht verjährt sind. Denn die dreijährige Verjährungsfrist habe frühestens Ende 2016 begonnen. Möglicherweise sogar später, so dass immer noch Schadensersatzklagen möglich sind“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Henning Leitz, CLLB Rechtsanwälte.
Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Das sei nicht bereits 2015 der Fall gewesen, stellte der Senat klar. Weder die Ad-hoc-Meldung von VW vom 22.09.2015 zu den Abgasmanipulationen, noch die folgende Berichterstattung in den Medien lasse auf eine Kenntnis der Kläger schließen. Es liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Kläger auf einer von VW eingerichteten Plattform im Internet die Betroffenheit seines Fahrzeugs nicht überprüft habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich trotz der Medienberichterstattung ein aktives Bemühen um die Feststellung der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs noch nicht aufgedrängt. Die Verjährung habe daher frühestens Ende 2016 begonnen, so das OLG Stuttgart.
„Andere Gerichte sehen den Beginn der Verjährung sogar noch später. Die Verjährung beginne erst, wenn die Rechtslage eindeutig geklärt ist, also z.B. nach einem Urteil des BGH. Bisher hat der BGH im Abgasskandal allerdings noch nicht entschieden. Sein erstes Urteil wird erst am 25. Mai erwartet und wird mit großer Wahrscheinlichkeit verbraucherfreundlich ausfallen“, so Rechtsanwalt Dr. Leitz.
Mehr Informationen: https://www.diesel-abgasskandal.de/