Der griechische Staat behauptete vor allem, der Schuldenschnitt sei in Ausübung staatlicher Macht erfolgt und könne deshalb nicht vor Gerichten außerhalb Griechenlands angegriffen werden. Der BGH ließ in der mündlichen Verhandlung jetzt erkennen, dass er dieser Argumentation wohl folgen wird. Es geht um die grundsätzliche Unterscheidung zwischen hoheitlicher Tätigkeit und fiskalischer Tätigkeit. Hoheitliche Maßnahmen können in einem anderen Land nicht überprüft werden, weil dem der so genannte Grundsatz der Staatenimmunität entgegen steht. Zivilrechtliche Maßnahmen können dagegen auch vor Gerichten eines anderen Landes angegriffen werden. Staaten handeln zwar zivilrechtlich, wenn sie Schulden aufnehmen. Die Frage ist jedoch, ob das auch dann gilt, wenn sie ein Gesetz erlassen, aufgrund dessen eine Mehrheitsentscheidung zu einem Schuldenschnitt ergeht. Davon geht Griechenland aus. Nachdem der Umschuldung im Jahr 2012 das griechische Gesetz 4050/12 und ein Ministererlass zugrunde lag, sei, so der beklagte Staat, von hoheitlichem Handeln auszugehen.
Soweit der BGH dem folgt, könnte er allerdings für weitere Verwerfungen sorgen. Denn damit stellt er sich ausdrücklich gegen die Auffassung der europäischen Kommission, die bei hoheitlichem Handeln einen Verstoß gegen europäische Verträge (Art. 124 AEUV) annimmt. Das hatte die Kommission bereits im vergangenen Jahr in einem vor dem EuGH geführten Parallelverfahren schriftlich festgehalten.
„Wenn sie konsequent ist, bleibt der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge dann nichts anderes übrig, als gegen Griechenland vorzugehen.“ meint Rechtsanwalt Franz Braun von der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei CLLB Rechtsanwälte. Braun vertritt den Kläger in dem Pilotverfahren.
Er hält die Annahme hoheitlichen Handelns ebenfalls für staatsrechtlich verfehlt. Denn der Staat habe seinen Staatshaushalt durch das Steuer- und Abgabenmonopol in Ordnung zu bringen. „Wenn der BGH nun einen Freibrief dafür erteilt, dass der Staatshaushalt darüber hinaus auch mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols saniert werden darf, haben wir ein weit über den einzelnen Fall hinaus reichendes, staatsrechtliches Problem. Pikant ist außerdem, dass der EuGH letztes Jahr die Offenkundigkeit hoheitlichen Handelns verneint hat. Die Annahme eines gewissermaßen verdeckten hoheitlichen Handelns zur Sanierung des Staatshaushalts ist sachlich nicht mehr kommentierbar. Ich denke, auch Zivilrechtler täten manchmal gut daran, ihre Begründung auch im Gesamtkontext des Rechtssystems zu betrachten.“
Es bleibt abzuwarten, ob die Europäische Kommission die Entscheidung des BGH zum Anlass nimmt und ihre bereits geäußerte Rechtsauffassung zur Verletzung des Art. 124 AEUV gegenüber Griechenland durchsetzt. Für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Institutionen wäre das ein nicht zu unterschätzender Schritt.