Dann sind alle glücklich, und du kannst, wenn die Kinder im Bett sind, den Rest erledigen: Den Warmwasserspeicher auf die höchste Stufe stellen, die Kühlkombination hochfahren, den Kaminofen anzünden, nachgucken, was man alles doch nicht mehr einkaufen muss, und den Tisch für das Frühstück decken.
Denn am nächsten Morgen wollen die Kleinen so schnell wie möglich an den Strand. Egal, ob Sonne scheint oder Regen fällt: Es ist nur wichtig, dass du alles dabei hast. Den Ball und die Schaufel, die Strandmuschel und die Regenkleidung, die kurze Hose und die Gummistiefel. Es ist egal, denn du bist in einem dänischen Ferienhaus an der jütländischen Nordseeküste.
Wir haben die erste Regel außer Acht gelassen, und ich habe zehn Minuten lang versucht, die Schnelle Sabine am Handy zu erreichen, dass sie wohl noch im Auto liegen hatte. Nachdem sie endlich zurückgerufen und mir den Weg zum Haus Tornevej 6 in Nørre Vorupør erklärt hat, finde ich sie mit Streichhölzern nach dem Hauptschalter suchend vor, dabei ist gerade so ein prächtiger Sonnenuntergang gewesen. Meine Frau wird von den Kindern unterdessen zur „Langsamen Sabine“ erklärt, weil wir als zweiter Sieger ankommen.
Ein freundlicher Nachbar hilft mit einer Taschenlampe – der Schalter findet sich im hintersten Schrank des Kinderzimmers. Doch Essen haben wir dabei, und Zeit für einen Saunagang haben wir auch noch. Es ist das letzte Oktoberwochenende, jetzt sind die Ferienhäuser richtig billig. Unsere zwei Familien haben sich zusammengetan, weil wir endlich einmal mehr Zeit füreinander haben möchten als an den Kochabenden, an denen man gerade zu einem schönen Gespräch gefunden hat, wenn die Kinder ins Bett müssen und man selber hundemüde vom Alltag ist.
Nørre Vorupør haben wir ausgesucht, weil es einen romantischen Naturhafen besitzt, weil die Dünenlandschaft der Halbinsel Thy noch nicht so überlaufen ist, und weil uns das Haus gefallen hat: 300 Meter vom Strand, mitten in den Dünen und mit Meeresblick vom Wohnzimmer im ersten Stock. Die große Wohnküche mit familienfreundlichen Wasch-, Trockner- und Geschirrspülmaschinen, der Kamin und die Sauna mit Whirlpool sind ideal, besonders, wenn man durchgefrorene Kleine schnell wieder auf Temperatur bringen muss und die Jungen ihr schmutziges Zeug im ganzen Haus verteilt haben.
Ich habe mir ausbedungen, jeden Tag für alle zu kochen und genieße mit Rührung, wie die vier Kleinen und die vier Großen eine Weile beinahe still werden und andächtig schmatzen und schlürfen. Fast möchte ich Peter Einhalt gebieten, der seinem Sohn verbieten will, sich den Teller randvoll zu schaufeln, so sehr liebe ich es, wenn sie alles in kurzer Zeit vernichten, woran ich eine Stunde gearbeitet habe. Allerdings: Putzen und waschen tun die Sabinen, und den Kaminofen hält Peter am Laufen.
An einem Tag zeigt mir der kleine Ervin, wie man mit der Angel umgeht. Drei Stunden werfen wir unsere Heringsköder an der Mole aus und fangen doch nur zwei Miesmuscheln. Trotzdem ein großartiges Erlebnis. Heute morgen war richtig Wind an der Mole, die vier kleinen Kerle haben sich stundenlang am kleinen Leuchtfeuer festgehalten und juchzen jetzt, wo wir vorbeikommen, immer noch, wenn mal wieder eine große Gischtwelle ihre Füße erreicht. Ich lerne hier, was Ferienhausurlaub an der Nordsee so erholsam macht. Man kann die Kleinen loslassen und doch das Netz immer wieder einholen.
Das Satellitenfernsehen haben wir übrigens vom Strom genommen und nur für ein Fußball-Länderspiel reaktiviert. Kein Protest. Statt dessen immer wieder der vehemente Wunsch, ins Hallenbad von Hurup zu fahren, dass in der Ferienhausmiete eingeschlossen ist. Der siebenjährige Joe macht seine ersten Sprünge vom Dreier, der zehnjährige Finn einen Salto vom gleichen Turm, und wir alle benutzen gemeinsam und immer wieder die große Rutsche.
Dass eigentlich Peters Hunde für unseren Urlaubsort verantwortlich sind, hatte ich noch nicht erzählt. Weil viele deutsche Urlauber ihre Haustiere nicht zurücklassen möchten, zählen Haustier-Ferienhäuser zu den besonders begehrten Ferienobjekten in Dänemark. Dass der zweimonatige Welpe Jimmy einen großen Haufen neben mein Bett setzt und die unter Naturschutz stehenden Dünen umgräbt: Schwamm drüber! Ohne die Hunde wäre es nur halb so schön, denn, wenn der kleine Joe mal nicht zum Vorlesen auf den Schoß hüpft, hat man noch etwas zum Kraulen. Stöckchen werfen während des Strandfußballs verhindert nicht nur, dass die Hunde mitspielen, sondern trainiert auch die Armmuskeln.
Was wir alles nicht geschafft haben: Wandern, Radfahren, Surfen, Inlineskaten - mit dem Fischerboot zum Gelben Riff fahren oder Besuche im Nordseeaquarium und im Naturkundemuseum von Nørre Vorupør. Denn irgendwann ist unser Herbsturlaub vorbei. Auf dem Rückweg nach Deutschland erleben wir sie noch einmal, die windschiefen Bäume der Nationalpark-Küstenlandschaft von Thy, die Heide- und Waldlandschaften am Limfjord und die satten grünen Weiden Nordjütlands. Dannebrog-Fahnen von Dänemark-Fans sieht man zwar auch noch diesseits der Grenze, aber wir kommen ja wieder. Vielleicht im Februar, zur Strandwanderung im Schnee. Oder zur Mittsommernacht. Hauptsache Ervin und Lou, Finn und Joe, Jessy und Jimmy kommen mit. Aber da habe ich überhaupt keine Zweifel.
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