Nach dem auch mit dem Studenten-Oscar prämierten „Nimmermeer“ von Toke Constantin Hebbeln wurden nun der Dokumentarfilm „Zirkus is nich“ und der fast dokumentarisch anwirkende Kurzspielfilm „Futschicato“ mit dem höchsten Prädikat ausgezeichnet. Regisseurin Astrid Schult begleitet in „Zirkus is nich“ den achtjährigen Dominik aus Berlin-Hellersdorf durch seinen unkindlich-harten Alltag und gibt sensiblen Einblick in die Realität der neuen Armut in Deutschland. Olaf F. Wehling erzählt in „Futschicato“ von einer Anarcho-Wohngemeinschaft. 39 Jahre nach 1968 könnte dies einer der ultimativen Filme zum Jubiläum werden.
Gefördert wurden beide ungewöhnlich wagemutigen Filme von den Stiftungen Landesbank Baden-Württemberg LBBW. Die FBW-Jury würdigte ausdrücklich den hier zutage tretenden Fördermut als beispielhaft.
Die Prädikate der FBW sind bei jungen Filmemachern so etwas wie ein begehrtes „Zwischenzeugnis“. An vielen Filmhochschulen der Republik gibt es einen internen Wettbewerb, wessen Filme bei der FBW eingereicht werden und wer schon ein FBW-Prädikat erhalten hat. Ein Prädikat der Filmbewertungsstelle hat schon manche Filmkarriere mit anschieben können. Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmark konnte schon als Filmstudent mit zwei Mal Besonders wertvoll glänzen, was bei der schwierigen Realisierung seines ersten Spielfilmprojekts „Das Leben der Anderen“ hilfreich war.
Die FBW-Jurys leisten mit der Begutachtung von Hochschulfilmen eine nicht unbeträchtliche Förderarbeit – dies obwohl der Anteil der Kurzfilm-Gebühren nur 12,5 Prozent der FBW-Gesamteinnahmen ausmacht. Im Jahr 2006 wurden 117 Langfilme und 181 Kurzfilme bei der FBW vorgelegt. Gut die Hälfte der Kurzfilme erhielt ein Prädikat. Auffällig ist bei den Kurzfilmen die Zunahme längerer Formate, etwa 25 Prozent der eingereichten Kurzfilme hatten eine Länge von mehr als 15 Minuten. Alle drei oben vorgestellten Ludwigsburger Produktionen gehören zu dieser Kategorie, in der junge Regisseure ihre eigene Sprache jenseits der Kino-Kurzfilmlänge ausprobieren.
Hier die Ergebnisse der aktuellen Sitzung der FBW-Jury:
Prädikat Besonders wertvoll
Die drei ??? - Das Geheimnis der Geisterinsel
(The Three Investigators And The Secret Of Skeleton Island) - FBW: Prädikat Besonders wertvoll - Kinder- und Jugendfilm - Deutschland 2006 - 94 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Florian Baxmeyer - mit: Chancellor Miller, Nick Price, Cameron Monaghan, James Faulkner, Nigel Whitmey u. a.
Family Entertainment der besonderen Art: Ein Kinder- und Jugendfilm aus deutscher Produktion mit eindrucksvollen Schauwerten und einem realitätstüchtigen Blick auf Südafrika. Die Adaption eines Abenteuers des aus Büchern und Hörspielen bekannten Detektiv-Trios „Die drei Fragezeichen“ ist auch für Erwachsene und erwachsen gewordene Fans ein fesselnder Genuss. Hier wird der Anfang für eine sicher auch international erfolgreiche Kinokarriere gelegt, und man kann nur wünschen, weitere Bücher der drei Fragezeichen auf diesem Niveau verfilmt zu sehen.
Kinostart: 8. November 2007 (Buena Vista)
Angel - Ein Leben wie im Traum
(Angel) - FBW: Prädikat Besonders wertvoll - Spielfilm - Großbritannien/Belgien/Frankreich 2006 - 119 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: François Ozon - mit: Romola Garai, Charlotte Rampling, Lucy Russell, Michael Fassbender u. a.
Es gibt nicht viele Regisseure, die es schaffen, in jedem Film ein neues Genre auszureizen, und die noch aus der trivialsten Geschichte opulentes Kino zaubern. In einer Literaturverfilmung der besonderen Art, der Adaption eines Trivialromans von 1957 einer Autorin namens Elizabeth Taylor, beschreibt Francois Ozon das kitschige Leben einer englischen Romanzen-Schriftstellerin in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein schuldhaft-schönes Vergnügen: die hohe Kunst des Ausstattungsfilms, die übergroßen Gesten der Nachstummfilmära, die großen Gefühle aus zweiter Hand.
Kinostart: 9. August 2007 (Concorde)
Mondkalb FBW:
Prädikat Besonders wertvoll - Spielfilm - Deutschland 2007 - 104 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Juri Wiesner - mit: Juliane Köhler, Axel Prahl u. a.
Einer jener Filme aus der deutschen Produktionsvielfalt, die unbedingt ins Kino gehören. Der zweite Film der Bundesfilmpreisträgerin Sylke Enders („Kroko“) nähert sich mit großer Meisterschaft behutsam und fast wortlos drei verstörten Seelen, die zusammenkommen wollen und doch aus ihrer Haut nicht können. Handwerklich ist das brillant, inszenatorisch traumwandlerisch sicher, alleine die Lichtführung sehenswert. Schauspielerisch zeigen Juliane Köhler, Axel Prahl und der jugendliche Leonard Carow Leistungen, die hoffentlich auch mit der „Lola“ oder anderswo zu rühmen sind.
Kinostart: Februar 2008 (X Verleih)
Prädikat Wertvoll
Transformers FBW: Prädikat Wertvoll - Action-Fantasy - USA 2006 - 144 Min. - FSK: ab 12 Jahren, ffr. - Regie: Michael Bay - mit: Shia LaBoeuf, Magan Fox, Josh Duhamel, John Turturro, John Voigt u. a.
Weltweit erfolgreiches Spielzeug ist es, das sich Blockbuster-Regisseur Michael Bay zum Anlass seines neuen und rasanten Spektakels nimmt. Roboter, die sich in Autos, LKW, Kofferradios und anderes mehr verwandeln können, spielen neben einem Teenagerpaar die Hauptrolle. Inhaltlich ist das recht sinnfrei, die Computertricks sind teilweise atemberaubend, die Handlung manchmal fast opernhaft überfrachtet, der Unterton oft ironisch. Blut fließt keines. Und Michael Bay legt die Messlatte für CGI-Filme wieder ein Stück höher.
Kinostart: 2. August 2007 (Universal Pictures International)
Dokumentarfilm des Monats Juli 2007
wir sehen voneinander
FBW: Prädikat Wertvoll - Spielfilm - Deutschland 2006 - 90 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Lilo Mangelsdorff
Ein vierjähriges Mädchen mit der Diagnose „gehörlos“ steht im Mittelpunkt dieses feinfühligen Dokumentarfilms, der mit der Vielfalt seiner Informationen einer Schatztruhe gleicht. Regisseurin Lilo Mangelsdorff und ihr sensibles Kamerateam öffnen uns die Tür zu einer weithin unbekannten Welt, und sie machen uns mit einer universellen Sprache bekannt. Geradezu eine Enzyklopädie der Gebärdensprache, schärft der Film auch die Sinne für die Schönheit und Notwendigkeit der Kommunikationsformen, beobachtet den Alltag von Betroffenen genau und erhebt sich immer wieder in geradezu poetische Höhen. Strittig in der FBW-Jury war einzig die Länge.
Kontakt: lima@cinetix.de
Kurzfilme des Monats Juli 2007
Futschicato
FBW: Prädikat Besonders wertvoll - Kurzfilm - Deutschland 2006 - 47 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Olav Wehling - mit: Patrick von Blume, Helene Grass, Matthias Klimsa, Andreas Seifert u.a.
Eine erfrischend mutige und ungewöhnliche 47-Minuten-Produktion, für die auch die Förderer (darunter die Stiftung Landesbank Baden-Württemberg) zu loben sind. Voll unter Strom steht dieser ironische, ebenso humorvolle wie erstklassig recherchierte fiktionale Blick auf eine anarchistische 68er WG, die es bis in die Gegenwart geschafft hat. Wie aus dem Leben gegriffen wirken viele Szenen, die Ästhetik der Bildsprachen ist auf allen Ebenen überzeugend und von individueller Handschrift geprägt. Der perfekt ungemütliche Film für einen Themenschwerpunkt „1968“ - bald schon 40 Jahre her.
Kontakt: futschicato@filmakademie.de
Zirkus is nich
FBW: Prädikat Besonders wertvoll - Doku-Kurzfilm - Deutschland 2006 - 43 Min. - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Astrid Schult
Die “neue Armut” wird in den Medien breit diskutiert. Sehen kann man sie allerdings nur, wenn man genau hinblickt. Dies tut die junge Regisseurin Astrid Schult in ihrem beeindruckenden 43-minütigen Dokumentarfilm, der dem achtjährigen Dominik durch seinen Alltag in einer Berliner Hochhaussiedlung folgt. Seine Mutter zieht ihn und seine beiden jüngeren Geschwister allein groß, er trägt dabei bereits die Verantwortung eines Erwachsenen. Der Film verzichtet ganz auf soziopolitische Kommentare und beobachtet anteilnehmend, ohne emotional oder gar rührselig zu werden.
Kontakt: www.zirkus-is-nich.de
Eine Schauspielerin versucht zu weinen FBW: Prädikat Besonders wertvoll - Kurzfilm - Deutschland 2006 - 2’ 47 Min. - FSK: liegt noch nicht vor - Regie: Arne Bunk - mit: Julia Nachtmann
Sie ist bei der Arbeit, sagt ein Untertitel. In Tat ist dieser streng komponierte, kurze Kurzfilm eine Verneigung vor dem Schauspielerberuf und eine Hommage an die Kunst der Großaufnahmen der Filmgeschichte. Wir sehen der “Produktion” einer solchen Einstellung zu. Alles in einer einzigen Schienenfahrt, puristisch, nah - und auch inhaltlich genau.
Kontakt: verleih@shortfilm.com