Von der Parkinson-Krankheit sind in Deutschland nach aktuellen Untersuchungen mehr als 400.000 Menschen betroffen. Die typischen Erkennungszeichen sind Verlangsamung der Bewegungsabläufe, kleinschrittiger Gang, Sprachstörungen, Zittern und Steifigkeit. Auch dezente Auffälligkeiten der Bewegung wie das verminderte Mitschwingen eines Armes beim Gehen, Störungen der Feinmotorik oder ein verändertes Schriftbild können Hinweis auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung sein.
„Nicht jedes Zittern bedeutet Parkinson“, betont Professor Berg. „Im Gegenteil, die Mehrzahl der Menschen, die zittern, haben keinen Parkinson.“ Hilfreich für eine frühe Diagnose sei die Tatsache, dass neben Auffälligkeiten der Bewegung weitere Symptome auftreten können: etwa eine verminderte Geruchswahrnehmung, eine Traumschlafstörung, Veränderungen beim Wasserlassen, Verstopfung oder Depressionen. „Auf den ersten Blick haben diese Beschwerden scheinbar nichts mit dem, was weit verbreitet unter Parkinson verstanden wird, zu tun“, so Berg. „Sie können aber auf das Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung hinweisen.“ Diese Symptome sind jedoch so unspezifisch, dass man nicht gleich an Parkinson denkt. Oft dauert es viele Jahre, bis die Erkrankung erkannt wird.
Neue Studien: wie sich Parkinson über Jahre einschleicht
Ursache für diese unspezifischen Symptome ist die Tatsache, dass die Parkinson-Krankheit sich über Jahre schleichend im ganzen Nervensystem ausbreitet. „Neue Studien stützen die Hypothese, dass die Parkinson-Krankheit im Magen/Darm entsteht und über die Nervenbahnen ins Gehirn wandert“, sagt Professor Berg. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das fehlgefaltete Eiweißmolekül Alpha-Synuklein, das sich in den erkrankten Nervenzellen ablagert. „An Parkinson erkrankte Nervenzellen können andere Nervenzellen quasi anstecken“, so Berg. Erkrankungstypische Ablagerungen von Alpha-Synuklein finden sich auch außerhalb des Gehirns, etwa im Darm, in den Speicheldrüsen oder in der Haut. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Marburger und Würzburger Neurowissenschaftlern konnte bei Risikopatienten die Erkrankung bereits vor Ausbruch der motorischen Symptome anhand einer Hautprobe nachweisen. Mit dem Test können Forscher Parkinson-Patienten in frühen Stadien identifizieren und ihnen eine Teilnahme an klinischen Studien anbieten, die untersuchen, wie sich das Fortschreiten der Krankheit verhindern lässt.
Herausforderung Frühdiagnose
Das Dilemma der Parkinson-Diagnostik: Wenn sich die ersten motorischen Symptome zeigen, sind bereits mehr als 50 Prozent der dopaminergen Neurone im Mittelhirn abgestorben. Der Erkrankungsprozess läuft dann bereits Jahre bis Jahrzehnte. Die Krankheit früher zu erkennen gelingt anhand der spezifischen Konstellation von Bewegungsauffälligkeiten und nicht-motorischen Symptomen. „Schon wer dezente Veränderungen seiner Armbewegung, der Feinmotorik oder des Schriftbildes feststellt, sollte sich neurologisch untersuchen lassen“, rät Professorin Berg – insbesondere, wenn noch Störungen der Geruchswahrnehmung, chronische Verstopfung, Depressionen, Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Traumschlafstörungen dazukommen.
Neue Therapien sollen Parkinson an der Wurzel packen
Auch wenn aktuell noch kein Medikament das Nervenzellsterben stoppen kann, hat eine frühe Diagnosestellung Konsequenzen für die Therapie. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Patienten schon in der Anfangsphase von einer Therapie mit Dopamin oder Dopamin-ähnlichen Substanzen profitieren. „Wenn die Diagnose Parkinson gestellt wird, herrscht schon lange ein beträchtlicher Mangel am Botenstoff Dopamin. Das Gehirn kann diesen Mangel aber einige Zeit lang ausgleichen. Therapeutisches Dopamin entlastet das Gehirn, hilft ihm – wie Öl in einem Motor – regelhaft zu arbeiten, was zu einer besseren Beweglichkeit beiträgt“, erklärt Berg. „Heute sind Menschen, die mit Parkinson leben, auch nach vielen Jahren in der Regel weniger eingeschränkt als noch vor 15 bis 20 Jahren.“
Auch stehen in Zentren, die sich mit der Erforschung und Therapie der Parkinson-Erkrankung beschäftigen, erstmals im Rahmen von Studien Therapieansätze zur Verfügung, die an den Ursachen des Nervenzellsterbens angreifen und die Ausbreitung des Krankheitsprozesses auf noch gesunde Nervenzellen verhindern sollen. Dies sind u.a. Studien für familiäre, also vererbbare Formen der Parkinson-Erkrankung sowie Impfstudien. Mit einem „Parkinson-Impfstoff“ – einem Antikörper gegen das Eiweiß Alpha-Synuklein – könnte es gelingen, die Ausbreitung der Krankheit im Keim zu ersticken.
Aktiv bleiben, beweglich bleiben
Zudem mehren sich die Hinweise, dass auch die Erkrankten selbst positiv zu dem Verlauf beitragen können. Lebensstilfaktoren wie ausreichende körperliche Aktivität und der Konsum von vitamin- und polyphenolhaltigen Lebensmitteln wie Kaffee, grüner/schwarzer Tee oder roten Beeren können hier hilfreich sein.
Eine Umsetzung dieser Erkenntnisse ist auch für die gesunde Bevölkerung von vorbeugender Bedeutung: In mehreren Studien wurde klar belegt, dass Menschen mit ausreichender körperlicher Aktivität ab dem mittleren Erwachsenenalter im Alter weniger häufig an Parkinson erkranken.
Literatur:
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