"Das Thrombose-Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien von hormonellen Verhütungsmitteln ist seit Langem bekannt", erläutert Professor Dr. med. Matthias Endres, 1. Vorsitzender der DSG und Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité: "Das ist ein Grund, warum die Antibabypille auch 50 Jahre nach ihrer Einführung weiterhin verschreibungspflichtig ist." Bevor Frauenärzte ein Rezept ausstellen, müssen sie das individuelle Risiko ihrer Patientin sorgfältig abschätzen. "Eine bekannte Thrombose-Neigung oder starkes Übergewicht sind oft ein Grund, auf andere wirksame Verhütungsmethoden zu wechseln", sagt Professor Endres.
Das Thrombose-Risiko in den Venen ist gut untersucht: Im schlimmsten Fall kann es zu einer Lungenembolie führen. Doch zum Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko gab es nach Auskunft von Professor Endres bislang kaum zuverlässige Zahlen. Dies ändert eine Untersuchung aus Dänemark: Sie liefert nach Einschätzung des Berliner Experten eine sichere Grundlage für die ärztliche Beratung. Die Kopenhagener Forscher haben darin sämtliche Verordnungen hormoneller Verhütungsmittel über einen Zeitraum von 15 Jahren mit Krankenhausbehandlungen wegen Schlaganfall und Herzinfarkt in Beziehung gesetzt. "Die Untersuchung belegt, dass ein minimales Risiko vorhanden ist", stellt der Experte fest. "Es ist aber deutlich geringer als das Risiko einer venösen Thrombose."
Persönliches Risiko der einzelnen Anwenderin ist gering
Nach den Berechnungen der dänischen Forscher komme es im Durchschnitt pro Jahr bei 6,8 von 10 000 Frauen, die eine der heute üblichen Methoden hormoneller Empfängnisverhütung anwenden, zu einer venösen Thrombose. Zudem würden zwei Frauen von 10 000 pro Jahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden, wobei das Risiko je nach Art und Dosis der Hormone variieren kann. "Bei der Antibabypille spielt die Dosis der Östrogene und die Wahl des Gestagens eine Rolle", erläutert Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum in Essen. Auch Verhütungspflaster oder Vaginalring waren in der Studie mit einem minimal erhöhten Risiko behaftet. Für die Spirale - in der Variante, die Hormone freisetzt - ergab sich dagegen kein erhöhtes Risiko. Für die Beratung der Frauen seien dies sicherlich wichtige Informationen, so Professor Diner, der insgesamt keinen Grund zu großer Sorge sieht. "Hormonpräparate dürfen jedoch niemals unbedacht eingesetzt werden", mahnt der Experte aus Essen: "Im Zweifelsfall sollten sich Frauen ärztlich beraten lassen und auf andere, ebenfalls sichere Verhütungsmittel zurückgreifen."
Literatur:
Lidegaard Ø, Løkkegaard E, Jensen A, Skovlund CW, Keiding N. Thrombotic stroke and myocardial infarction with hormonal contraception. New England Journal of Medicine 2012; 366: 2257-66