Aufgrund der allgemeinen Alterung der Bevölkerung steht in Deutschland ein deutlicher Anstieg der Schlaganfallzahlen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevor; manche sprechen sogar von einem Tsunami. Bemerkenswert ist, dass in Amerika eine deutliche Zunahme der Schlaganfallerkrankungen bei Patienten in Alter von 18 bis 45 Jahren über die vergangenen 15 Jahre festgestellt wurde (George und Kollegen, 2011). In dieser Altersgruppe waren gerade die klassischen Risikofakten wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen sowie Tabakkonsum auffällig oft feststellbar und trugen zum erhöhten Risiko bei. In Deutschland erleiden pro Jahr über 10000 jüngere Menschen einen Hirninfarkt. Mit großer Spannung werden daher die Zahlen einer Studie erwartet, die von Prof. Arndt Rolfs in Rostock koordiniert wird. In diese Studie wurden über 5000 jüngere Schlaganfallpatienten im Alter von 18 bis 55 Jahren aus verschiedenen europäischen Zentren eingeschlossen (Rolfs und Kollegen, 2011).
Jeder kann sein persönliches Risiko senken
Die Risikofaktoren, die zu einem Schlaganfall führen, sind gut bekannt. Die wichtigsten sind Bluthochdruck, Herzerkrankungen, insbesondere das Vorhofflimmern, weiterhin Diabetes, Rauchen sowie Fettstoffwechselstörungen. Viele Schlaganfälle könnten verhindert werden, wenn folgende Risikofaktoren konsequent reduziert würden:
- Würde der Bluthochdruck in Deutschland vollständig behandelt, sänke die Schlaganfallrate etwa um die Hälfte. Auch die gezielte Therapie des Vorhofflimmerns, ein Risikofaktor vor allem bei älteren Patienten, würde die Anzahl der Erkrankten deutlich verringern.
- Programme, die die Patiententreue (Adhärenz) verbessern, sind wichtige Ansätze in der Therapie. Denn es hat sich gezeigt: Selbst bei Hochrisikopatienten sinkt die Behandlungsqualität schon wenige Monate nach dem ersten Schlaganfall massiv (Glader und Kollegen, Stroke 2010).
- Der persönliche Lebensstil trägt deutlich zum individuellen Schlaganfallrisiko bei. So haben Menschen mit einer gesunden Lebensführung, mit sportlicher Aktivität, gesunder Ernährung, ohne oder wenig Alkoholgenuss, Rauchen oder Übergewicht ein um 80 Prozent reduziertes Schlaganfallrisiko. Ermutigend ist hier die Tatsache, dass im Vergleich zu den Menschen mit dem höchsten Risiko schon ein einziger Faktor die Prognose deutlich verbessert (Chiuve und Kollegen, 2008).
- Frau Prof. Agnes Flöel (Berlin), die diesjährige Preisträgerin des renommierten Pette-Preis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), forscht intensiv zur Rolle von Lebensstilfaktoren auf Schlaganfallrisiko und Demenz. So konnten ältere Menschen durch regelmäßige Bewegung, wie zum Beispiel Fahrradfahren, auch ihre Gedächtnisfunktion deutlich verbessern (Ruschewey und Kollegen, 2011).
Kampagnen gegen den Schlaganfall
Neben der Kenntnis und Bekämpfung der Risikofaktoren ist besonders wichtig, die Bevölkerung über Symptome, vorbeugende Maßnahmen und frühzeitige Behandlung aufzuklären. In verschiedenen Regionen Deutschlands haben Neurologen zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sowie der Deutschen Schlaganfallgesellschaft entsprechende Kampagnen durchgeführt.
Neurologen aus Hamburg ist es mit der Initiative "Hamburg gegen den Schlaganfall" gelungen, die Anzahl derjenigen Patienten, die binnen zwei Stunden nach einem Schlaganfall in der Notaufnahme vorgestellt werden, um über 50 Prozent zu erhöhen, weiterhin konnte die Prozess- und Behandlungsqualität in den Krankenhäusern deutlich verbessert werden.
Durch öffentliche Informationskampagnen am Weltschlaganfalltag, der am 29. Oktober stattfindet, zeigte sich, dass sich die Kenntnisse über die klassischen Schlaganfallsymptome wie Lähmung, Schwindel, Seh- und Sprachstörungen steigern lassen.
In einer Kooperation des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin (CSB) mit der Kunsthoch-schule für Medien Köln haben Filmstudenten unter Anleitung des Produzenten und Regisseurs Lars Büchel vier Spots zum Thema Schlaganfall entwickelt und umgesetzt. Das Ziel ist es, sich bewusster mit dem Thema Schlaganfall auseinanderzusetzen und einer Stigmatisierung entgegenzuwirken.
Quellen
- Chuive SE, et al. Primary prevention of stroke by healthy lifestyle. Circulation 2008; 118:947-954
- George M, et al. Trends in stroke hospitalizations and associated risk factors among children and young adults, 1995-2008. Ann Neurol 2011; 70:713-721
- Glader EL, et al. Persistent use of secondary preventive drugs declines rapidly during the first 2 years after stroke. Stroke 2010; 41:397-401
- Rolfs A, et al., Protocol and methodology of the Stroke in Young Fabry Patients (sifap1) Study: a prospective multicenter European study of 5,012 young stroke patients aged 18-55 years. Cerebrovasc Dis 2011; 31.253-262
- Ruscheweyh R, et al. Physical activity and memory functions. An interventional study. Neurobiol Aging 2011; 32:1304-19
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. Matthias Endres
Direktor der Klinik für Neurologie – Charité
1. Vorsitzender Deutsche Schlaganfallgesellschaft (DSG)
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