Mix aus Eigenverantwortung und gesetzlicher Regelung
Nach rund vier Jahren seit Einführung des Präventionsgesetzes und Investitionen von 600 Millionen Euro für die Gesundheitsförderung in Kitas, Schulen und Betrieben sieht Spahn die Menschen in der Pflicht, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, indem sie sich „vernünftig ernähren und regelmäßig Sport treiben“. Völlig aus der Gestalterrolle zurückziehen soll sich der Bund nicht: „Politisch müssen wir den richtigen Rahmen setzen.“ Dafür sollen Krankenkassen noch mehr mit den Kommunen zusammenarbeiten, um Präventionsangebote näher an die Menschen heranzutragen. Auf gesetzliche Regelungen setzt Spahn, wenn die Gesundheit von Kindern und Erwachsenen durch ungesunde Nahrungsmittel oder durch Werbung für Tabakprodukte gefährdet wird. Einerseits steht der CDU-Politiker hinter dem Tabakwerbeverbot, zumal hierzulande immer noch etwa 28 % der Männer und 23 % der Frauen über 15 Jahre zur Zigarette oder anderen Tabakprodukten greifen: „Dafür sollten wir nicht noch Werbefläche zur Verfügung stellen“, stellt der Gesundheitspolitiker klar. Andererseits kommt das Werbeverbot für Zigaretten auf Plakaten erst 2022 – viel Zeit für Kinder und Jugendliche, sich zur ersten Zigarette verleiten zu lassen.
Lebensmittel-Ampel: Industrie tut gut daran, konstruktiv mitzugestalten
Übergewicht bei jungen Menschen ist heute ein großes Problem. Rund 20 % der drei- bis 17-Jährigen sind übergewichtig. Altersdiabetes und Herzerkrankungen nehmen zu. Die Lebensmittel-Ampel „Nutri-Score“ kann Menschen helfen, ihr Normalgewicht durch eine ausgewogene Ernährung zu halten. Das Ampel-System zeigt dem Verbraucher anhand einer Farbskala an, ob ein Produkt reich an Ballaststoffen, Obst oder Nüssen ist oder ob man wegen Zucker, Salz und gesättigter Fettsäuren darauf lieber verzichtet. Für „Nutri-Score“ – nicht verpflichtend für Hersteller – entschied sich Deutschland Ende 2019. Erst eine EU-Verordnung könnte das durch eine Verpflichtung ändern. Spahns Warnung an die Industrie: „Entweder gestaltet eine kluge Industrie die notwendigen Veränderungen konstruktiv mit, oder der Druck wird irgendwann so groß, dass die Veränderungen per Zwang kommen.“
Digitale Anwendungen: Hilfreiche Werkzeuge oder nur Selbstzweck?
Digitale Technologien wie künstliche Intelligenz in der Medizin, Gesundheits-Apps und Smartwatches mit Pulsmesser und EKG-Funktion verändern das Gesundheitswesen massiv. Spahn begegnet diesem Wandel weniger mit Sorge: „Patienten sollten die Digitalisierung nicht als Bedrohung sehen“, gibt er sich zuversichtlich und sieht den Vorteil digitaler Anwendungen auf beiden Seiten: Der Arzt profitiert von künstlicher Intelligenz etwa in der Herz-Diagnostik, während der Patient per Smartwatch seine Herzfunktion auch zu Hause überwachen kann. Damit aber solche Neuentwicklungen nicht zum Selbstzweck verkommen, müssen beide in Kontakt bleiben: „Wenn ein Patient heute mit einem Smartphone oder einer Smartwatch in der Lage ist, seinen Puls zu messen oder ein einfaches EKG abzuleiten, kann das hilfreich sein, aber deshalb ist der Kontakt zum Arzt eben nicht weniger wichtig“, sagt Spahn. Um Patienten vor mieser Qualität von digitalen Anwendungen und anderen medizinischen Informationen zu schützen, sollen Gesundheits-Apps auf Rezept kommen, „verschrieben vom Arzt, bezahlt von der Krankenkasse wie ein Medikament“. Allerdings kann auf Aufklärung durch unabhängige Informationen von nicht-staatlichen Institutionen nicht verzichtet werden, wie Spahn betont: „Am Ende ist das Entscheidende: aufklären, aufklären, aufklären! Jede Generation muss aufs Neue aufgeklärt werden.“ Hier komme der Herzstiftung eine besondere Rolle zu: „Deshalb kann ich Sie nur ermuntern, in Ihrer Arbeit nicht nachzulassen.“
Digitalisierung: Gestaltungshoheit gegenüber Google und Co.?
In einer Zeit des massiven Umbruchs im Zuge der Digitalisierung in der Medizin ist die Gestaltungshoheit für diesen Veränderungsprozess enorm wichtig. Der Bundesgesundheitsminister sieht darin sogar den Schlüssel zu einer gelingenden Digitalisierung der Medizin im Sinne der Herzpatienten: „Die Frage ist nur: Kommt die Veränderung durch Konzerne wie Google, Amazon oder Apple, oder gestalten wir sie nach unseren Qualitäts- und Datenschutzstandards selbst. Und zwar zum Nutzen der Patienten und nicht nur irgendwelcher Aktionäre.“
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