Ein Forscherteam um den Kinderkardiologen Dr. med. Axel Rentzsch vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar (UKS) hat für Kinder-Stents und künstliche Herzklappen eine neue Beschichtung, eine Matrix aus Nano-Drähten, entwickelt. Der große Vorteil: Sie verträgt sich sehr gut mit dem Blut. Infolgedessen kann z. B. das Risiko von Blutgerinnseln in den Herzkranzgefäßen oder an den Herzklappen eines Kindes verringert werden. Dies haben Untersuchungen der UKS-Forscher gezeigt. „Mit der Förderung dieser wichtigen Arbeit könnten den betroffenen Kindern vermeidbare Eingriffe und damit verbundene Risiken erspart bleiben“, betont Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung, zur Vergabe der „Gerd Killian-Projektförderung“ (59.900 Euro) für das Vorhaben.* Aktuelle Tests in echten Gefäßen werden im Rahmen der Projektförderung finanziell unterstützt. Die Forschungsarbeiten sind von großer Bedeutung. „Implantate haben insbesondere bei der Behandlung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern einen großen Stellenwert. Sie tragen dazu bei, dass die meisten von ihnen das Erwachsenenalter erreichen“, betont Dr. Rentzsch. Ist etwa die Pulmonalklappe (Verbindung von der rechten Herzkammer zur Lungenarterie) verschlossen, kann das lebensbedrohlich werden. Ein Stent könnte die OP um Monate oder sogar Jahre hinauszögern. „So könnte diese bei betroffenen Kindern erst später im Leben erfolgen. Möglicherweise sind sogar weniger Eingriffe nötig.“
Welche Stent-Beschichtung verträgt sich dem Blut eines Kindes?
Doch bislang sind die Stents für Kinder, die in der Regel aus rostfreiem Stahl, Titan, einer Nickel-Titan- oder einer anderen Legierung bestehen, nicht beschichtet. Das Problem: Das Blut von Kindern reagiert sehr stark auf die Oberflächen von Fremdmaterial. „Sobald das Blut mit dem fremden Material in Berührung kommt, wird die Gerinnung aktiviert. Deswegen wollten wir eine Beschichtung entwickeln, die sich mit dem Blut verträgt.“
Ein Netz, das Leben retten kann
Wie ein Netz unordentlich verwobener Mini-Spaghetti sehen die Nano-Drähte unter dem Elektronenmikroskop aus: Sie sind so winzig klein, dass man sie nur mit dem Spezialmikroskop erkennen kann („Nano“ kommt vom Griechischen nanos, der Zwerg). Jeder einzelne Nano-Draht ist hauchdünn und besteht innen aus Aluminium. Darüber liegt eine dünne Schicht Aluminiumoxid, also oxidiertes Aluminium, und obenauf ein Polymer, ein spezieller chemischer Stoff aus Makromolekülen. So komplex und doch so klitzeklein ist das Netz, das Leben retten kann.
Die Nano-Drähte schützen vor Blutgerinnseln
Fast zehn Jahre hat ein Team aus Materialforschern, Chemikern, Biologen und Medizinern der Universität des Saarlandes an der Matrix aus Nano-Drähten gearbeitet. „Es wurden verschiedene Oberflächen verändert und in verschiedenen Zellkulturen auf die Bioverträglichkeit geprüft“, sagt Prof. Dr. med. Hashim Abdul-Khaliq, Direktor der Klinik für Pädiatrische Kardiologie am UKS. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Netz aus den Drähten sich sehr gut mit Zellen verträgt und extrem blutabweisend ist. „Wir haben auch getestet, wie sie sich mit Blut verträgt“, erklärt der Kinderherzspezialist. Das Resultat: „Es haben sich fast gar keine Blutplättchen angelagert.“ Das heißt, die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden und den Stent verstopfen, ist sehr gering. Der zweite Vorteil: Endothelzellen, die im menschlichen Körper Blut- und Lymphgefäße auskleiden, fühlen sich auf der neuen Beschichtung ausgesprochen wohl. „Sie wachsen darauf gut und schnell“, betont Prof. Abdul-Khaliq. Glatte Muskelzellen dagegen, die Hohlorgane und Gefäße umgeben, gedeihen kaum auf den Nano-Drähten. Das ist deshalb so bedeutend, weil sie es sind, die ein Blutgefäß erneut verengen und es damit zu einer Restenose kommt. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse wurde die neu entwickelte Beschichtung der Saarländer Forscher patentiert. Im Tiermodell wollen die Forscher nun testen, wie sich ihre Innovation in echten Gefäßen bewährt. (weg)
*Projekttitel: „In vivo und molekulare Untersuchung von neuartigen beschichteten Stents für die Anwendung bei kleinen Kindern mit angeborenem Herzfehler“
Die Gerd Killian-Projektförderung wurde Mitte Februar anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung der Kinderkardiologen und Herzchirurgen in Leipzig von der Deutschen Herzstiftung sowie der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie (DGPK) vergeben. Gefördert werden junge Wissenschaftler mit patientennahen Forschungsvorhaben in der Kinderkardiologie oder Herzchirurgie. Benannt ist die Förderung nach Gerd Killian, der bereits in jungen Jahren am plötzlichen Herztod verstarb. Seine Mutter, Doris Killian, vermachte ihr Vermögen der Deutschen Herzstiftung und verfügte in ihrem Testament, dass die Erträge ihres Vermögens der Erforschung angeborener Herzfehler zugutekommen sollen. Einzelheiten zur Projektförderung und ein Antragsformular finden Bewerber online unter www.herzstiftung.de/...