Europäische Meere stehen unter starkem Nutzungsdruck
Nord- und Ostsee und das Mittelmeer zählen zu den am intensivsten genutzten Meeren. Ihre Ökosysteme sind in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand oder bereits zerstört und müssen renaturiert werden.
Besonders dort, wo mit Grundschleppnetzen gefischt wird, wie auch in deutschen Meeresschutzgebieten existiert kaum noch Leben am Meeresboden. Weite Gebiete der Ostsee haben sich in sauerstoffarme Todeszonen verwandelt. Ursachen hierfür sind überschüssige Düngemittel und Abwässer (Gülle) aus der küstennahen Landwirtschaft, insbesondere Stickstoff.
Deshalb fordert das von 102 Umweltschutzorganisationen, darunter die Deutsche Stiftung Meeresschutz (DSM), unterstützte Blaue Manifest unter anderem den Umstieg auf nachhaltige Fischerei und Aquakultur bis 2030 und einen Stopp der Meeresverschmutzung.
Auch intensiver Schiffsverkehr und die damit verbundenen Lärm-, Klimagas- und Rußemissionen, Überfischung, Vermüllung und die Auswirkungen von Übertourismus verschärfen den Nutzungsdruck in europäischen Meeren.
Zeitfenster zur Bekämpfung der Auswirkungen der Klimakrise schließt sich
Die Organisationen betonen, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um größere, irreversible Schäden abzuwenden.
„Das Zeitfenster zur Bekämpfung der unvermeidlichen Auswirkungen der Klimakrise, wie steigende Meerestemperaturen und mit höherer Frequenz auftretende marine Hitzewellen, schließt sich gerade recht schnell“, warnt der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. „Die Eindämmung der vom Menschen verursachten Klimakatastrophe und die Wiederherstellung widerstandsfähiger und gesunder mariner Ökosysteme wie Seegraswiesen, Salzwiesen oder Korallen sind vordringliche Aufgaben, wenn wir unsere Zivilisation und das Leben in unseren Meeren retten wollen“.
Im European Green Deal fehlt das Blau
Die EU-Kommission brachte unter der Federführung von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen den ambitionierten „European Green Deal“ auf den Weg. Damit sollte eine Transformation zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft aufgebaut und weitere Umweltzerstörungen abgewendet werden.
Ziel war der Aufbau einer widerstandsfähigen und gerechten Gesellschaft, die in Harmonie mit der Natur lebt. Allerdings fehlt im „Green Deal“ das „Blau“. Deshalb fordern die Organisationen von der EU Maßnahmen zum Schutz der Meere, einen „Green Deal für den Ozean“. Dazu gehören drei grundlegende Maßnahmen.
1. Ein EU-Meeresabkommen – Ocean Deal
Das Meeresabkommen (Ocean Deal) soll alle bestehenden und potenziellen neuen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Nutzung und Schutz der Meeresumwelt in einem zentralen Abkommen bündeln. Damit würde die EU anerkennen, dass Schutz, Erhaltung und Bewirtschaftung der Ozeane eine gemeinsame Verantwortung sind, wie vom Blauen Manifest gefordert. Ferner könnten im Ocean Deal ehrgeizige Ziele und Maßnahmen zum Schutz der Meere festgelegt werden, um einen guten Umweltzustand der EU-Meere zu erreichen.
2. Ocean Fund
Einrichtung eines speziellen Ocean Funds zur Verwirklichung ehrgeiziger politischer Ziele für nachhaltige Bewirtschaftung und effektiven Meeresschutz.
3. Komitee für die Meere – Ocean Committee
Das Komitee für die Meere soll europäische Meere in den Mittelpunkt von EU-Entscheidungsprozessen stellen. Es soll im Europäischen Parlament eingerichtet werden und zuständig sein für die Umsetzung des Meeresabkommens und des Ocean Funds.
Das Blaue Manifest – Rettungsplan für die Meere bis 2030
Diese Instrumente, so hoffen die beteiligten Organisationen, könnten als Maßnahmen zum Schutz der Weltmeere entscheidend sein im Kampf gegen Klimakrise, Artensterben und Umweltverschmutzung. „Damit unsere Ozeane und damit das Leben auf der Erde eine Chance hat, müssen in den nächsten Jahren fundamentale Veränderungen stattfinden“, erklärt Ulrich Karlowski.
Netzwerk von Meeresschutzgebieten für gesunde und widerstandsfähige Meere
Kern der Forderungen des Blauen Manifests allerdings ist die Einrichtung eines europäischen Netzwerks von Meeresschutzgebieten bis 2030. Dieses soll mindestens 30 % der Meeresfläche umfassen. Dies entspricht dem 30×30-Ziel, auf das sich die Staatengemeinschaft im Dezember 2022 auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) verständigte.
* darunter Seas At Risk (SAR), ein Zusammenschluss europäischer Umweltorganisationen, dem die Deutsche Stiftung Meeresschutz angeschlossen ist, die Surfrider Foundation, BirdLife International und andere.