Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat die „ungebührliche Hektik“ beim Wiederanfahren des über 30 Jahre alten Atomkraftwerks Brunsbüttel in der Nacht zu Sonntag scharf verurteilt. Der Störfall vom vergangenen Donnerstag sei keineswegs vollständig aufgeklärt, erklärte die Umweltorganisation. So wisse bisher niemand, warum es im Verlauf der Reaktorschnellabschaltung beim Einschießen eines der Steuerstäbe zu Verzögerungen kam. Der Stab wird derzeit schalttechnisch blockiert und stünde bei einer erneuten Schnellabschaltung nicht zur Verfügung. Ob vergleichbare Probleme auch bei anderen Abschaltstäben auftreten können, sei nicht bekannt. Auch die Untersuchungen zu dem Schwelbrand im Bereich der Turbine, der im Verlauf der Reaktor- und Turbinenschnellabschaltung aufgetreten war, dauerten an.
„Der Verdacht liegt auf der Hand, dass es Vattenfall angesichts von zwei ausgefallenen Atomkraftwerken binnen weniger Stunden um nichts weiter als ökonomische Schadensbegrenzung geht“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. „Das Credo der Atomkraftwerksbetreiber, wonach beim Betrieb von Atomreaktoren immer die Maxime ´Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit´ gilt, gerät immer dann ins Wanken, wenn Stillstände tägliche Einnahmeausfälle in Millionenhöhe verursachen“.
Der umstrittene Siedewasserreaktor Brunsbüttel war am vergangenen Donnerstag nach einem Kurzschluss im umgebenden Stromnetz vom Netz getrennt worden. Bei der Schnellabschaltung war es zu einer Reihe von Unregelmäßigkeiten gekommen, die der Öffentlichkeit erst nach und nach bekannt wurden. Bisher ist auch noch nicht abschließend geklärt, ob ein Zusammenhang mit dem wenig später ausgebrochenen Trafo-Brand im 100 Kilometer entfernten Atomkraftwerk Krümmel besteht.
Nach Überzeugung der DUH erfordert der Vorgang eine gründliche Untersuchung. Baake erinnerte daran, dass die „Brunsbüttel-Schwachstellenliste“, die nach Angaben der für die Atomaufsicht zuständigen Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht „hunderte offener Punkte“ aufweist, von Vattenfall immer noch wie ein Staatsgeheimnis gehütet werde. Bereits Ende 2001 hatte sich der damalige Brunsbüttel-Betreiber HEW nach einer Wasserstoffexplosion in unmittelbarer Umgebung des Reaktordruckbehälters fast zwei Monate geweigert, das Atomkraftwerk abzuschalten. Das geschah erst als die Aufsichtsbehörden drohten, eine amtliche Stilllegung zu verfügen. Gleichzeitig hat Vattenfall in den vergangenen Monaten an das Bundesumweltministerium zwei Anträge mit dem Ziel gestellt, die Laufzeit des Pannenreaktors über das geplante Stilllegungsdatum im Jahr 2009 hinaus zu verlängern.