Es juckt und brennt, die Haut rötet sich und bildet Quaddeln – ähnlich wie nach dem Kontakt mit Brennnesseln. Diese gaben der Urtikaria auch ihren umgangssprachlichen Namen: Nesselsucht. Damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten allerdings, denn die Auslöser einer Urtikaria sind vielfältig, ihre Ursachen komplex und wissenschaftlich noch nicht völlig geklärt. Nach Angaben des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB) kennt hierzulande jeder Vierte eine Urtikaria aus eigener Erfahrung – Frauen häufiger als Männer. Je nach Auslöser, Dauer und Verlauf der Erkrankung werden mehrere Formen unterschieden. Besonders die chronische Variante setzt den Betroffenen in Alltag und Beruf zu. Die Behandlung zielt in erster Linie auf die Symptomfreiheit ab, aber auch die Suche nach den Auslösern ist Teil der Therapie. Was Betroffene über die Urtikaria wissen sollten, wie sie diagnostiziert und behandelt wird, dazu informieren Experten anlässlich des Welt-Urtikaria-Tags 2019 bei einem Lesertelefon in Zusammenarbeit mit dem DAAB.
Ein Name – viele Formen
Hält eine Urtikaria bis zu sechs Wochen an, gilt sie als akut, dauert sie länger, wird sie als chronisch bezeichnet. Wenn sie ohne spezifischen Auslöser „aus heiterem Himmel“ auftritt, sprechen Mediziner von einer spontanen Urtikaria. Mögliche Auslöser können beispielsweise chronische Infekte, eine Intoleranz gegenüber Medikamenten oder Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln sein, aber auch eine Unverträglichkeit gegenüber körpereigenen Stoffen oder – wenn auch selten – eine Allergie auf Pollen, Tierhaare oder Nahrungsmittel. In der Regel ist eine spontane Urtikaria ein einmaliges Ereignis und die Behandlung konzentriert sich auf die Eindämmung der Symptome. In zehn Prozent aller Fälle handelt es sich jedoch um eine chronische Urtikaria. Eine weitere Form der Erkrankung ist die physikalische oder induzierte Urtikaria, bei der physikalische Reize wie Druck, Vibration, Kälte oder Wärme die Beschwerden auslösen. Diese Unterscheidung spielt für die Behandlungsstrategie eine maßgebliche Rolle.
Histamin in der Hauptrolle
Doch warum reagiert die Haut überhaupt so extrem auf Reize? Einen Teil der Antwort liefert der Botenstoff Histamin. Er wird bei einer Urtikaria verstärkt von bestimmten Abwehrzellen, den so genannten Mastzellen, in der Haut und der Schleimhaut freigesetzt. Das Histamin macht die umliegenden Blutgefäße weiter und durchlässiger; es sammelt sich Flüssigkeit in Form der typischen quaddelförmigen Schwellungen. Tritt der Effekt in tieferen Hautschichten oder Schleimhäuten auf, zum Beispiel an den Lippen oder Augenlidern, können schmerzhafte Angioödeme entstehen, die langsamer abklingen als die Quaddeln auf der Haut. Zusätzlich werden durch das Histamin Sinnesnerven aktiviert, die wiederum Juckreiz und Rötung verursachen. Warum die Mastzellen vermehrt Histamin ausschütten, ist bis heute medizinisch nicht vollständig geklärt.
Schnell behandeln, gründlich suchen
Besonders zu Beginn der Erkrankung kommt es darauf an, die Symptome der Nesselsucht schnell zu behandeln, anstatt das Augenmerk nur auf die Diagnose und mögliche Auslöser zu richten. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt für die Diagnostik deshalb ein gezieltes, systematisches Vorgehen bei gleichzeitiger Therapie der Symptome. Die Suche nach den Auslösern kann bis zu zwei Jahre dauern; in einigen Fällen lässt sich gar kein Trigger ausfindig machen. Besonders bei der chronischen Urtikaria ist detektivische Kleinarbeit beim Aufspüren der individuellen Trigger gefragt. Zunächst sind andere Erkrankungen sicher auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen. Dann gilt es, mit Hilfe des Patienten die möglichen Trigger einzugrenzen. Eine präzise Dokumentation, unter welchen Umständen und in welcher zeitlichen Abfolge die Beschwerden auftreten, kann Patient und Arzt auf die richtige Spur bringen. Die Liste möglicher Zusammenhänge ist lang. Sie reicht von bestimmten Medikamenten und Nahrungsmitteln über Infektionen, Stress, Allergien und Autoimmunerkrankungen bis zu Begleitsymptomen, Menstruationszyklus und körperlicher Belastung.
Therapieziel: Lebensqualität verbessern
Eine chronische Urtikaria bedeutet für die Betroffenen eine schwere körperliche und psychische Belastung, denn zum einen sind die Krankheitsschübe nicht vorhersehbar, zum anderen können Symptome wie der ständige Juckreiz Schlafstörungen verursachen, die wiederum zu Einbußen in der Leistungsfähigkeit und im seelischen Wohlbefinden führt. Nicht wenige Patienten ziehen sich wegen ihrer Erkrankung aus ihrem sozialen Umfeld mehr und mehr zurück. Umso wichtiger ist es, das gesamte zur Verfügung stehende Therapiespektrum zu nutzen. Das ist nach Erkenntnissen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes längst nicht immer der Fall: „Die Behandlungsmöglichkeiten der Urtikaria haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Schaut man sich allerdings die aktuelle Behandlung der Patienten an, stellt sich die Frage, warum die neuen und effektiveren Therapieoptionen noch so selten eingesetzt werden“, erklärt Andrea Wallrafen, Bundesgeschäftsführerin des DAAB.
Expertenrat am Welt-Urtikaria-Tag
Symptome, Diagnose, Therapiemöglichkeiten, Unterstützung für Betroffene – anlässlich des Welt-Urtikaria-Tags 2019 beantworten Experten alle Fragen rund um die Nesselsucht bei einem Lesertelefon in Zusammenarbeit mit dem DAAB:
- Rufnummer: 0800 – 2 811 811 1: Dr. med. habil. Andrea Bauer; Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zusatzbezeichnungen Allergologie, Berufsallergologie; Oberärztin und Laborleiterin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
- Rufnummer: 0800 – 2 811 811 4: oec. troph. Sibylle Plank; Ernährungswissenschaftlerin an der Vital Klinik, Fachklinik für Hauterkrankungen, Alzenau
- Rufnummer: 0800 – 2 811 811 2: med. Caroline Mann; Assistenzärztin an der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin, Prüfärztin für klinische Studien im Clinical Research Center, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
- Rufnummer: 0800 – 2 811 811 3: -Doz. Dr. Karsten Weller, Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin