Zwei Rettungssanitäter brachten ihren Kollegen zu einem Orthopäden. Dort berichtete der Patient von starken Schmerzen in der linken Körperseite. Er äußerte den Verdacht, Ursache sei ein eingeklemmter Nerv im Bereich der Halswirbelsäule. Der sehr selbstbewusst und sachkundig auftretende Patient erwähnte zudem, das Ganze sei bereits internistisch abgeklärt worden. Damit meinte er allerdings eine im Vorjahr erfolgte Befunderhebung, während der Arzt davon ausging, die internistische Untersuchung sei am selben Tage erfolgt. Er diagnostizierte eine Querwirbelblockade und Muskelverspannung und entließ den Patienten nach Hause. Eine gute Stunde später fand ihn seine Ehefrau bewusstlos auf dem Boden liegend. Der Notarzt stellte nach vergeblichen Wiederbelebungsversuchen den Tod fest. Todesursache war ein akuter vollständiger Verschluss der rechten Herzkranzarterie. Ehefrau und Kinder des Verstorbenen klagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Der Arzt hafte für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden der Hinterbliebenen, stellte das Gericht fest. Die Beschwerden des Patienten hätten eine internistische Abklärung erfordert. Diese zu veranlassen, wäre Sache des Orthopäden gewesen. Jeder Arzt müsse, so die Richter, laienhafte Diagnosen eines Patienten mit kritischer Distanz betrachten, um sodann eigenverantwortlich sämtliche Befunde zu erheben. Dabei habe er die Pflicht, selbstkritisch die Grenzen seiner eigenen Erkenntnismöglichkeiten auf dem jeweiligen Fachgebiet zu erkennen und angesichts der vielen möglichen Ursachen für eine Erkrankung zu erwägen, den Kollegen einer anderen Fachrichtung hinzuziehen. Wäre der Arzt dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sich zweifelsfrei ergeben, dass die Schmerzen erst vor einer Stunde aufgetreten waren und eine vorherige internistische Abklärung am selben Tage nicht erfolgt sein konnte. Es wäre klar gewesen, dass die Symptome ergänzend durch einen Internisten hätten abgeklärt werden müssen. Die Ursache für die Schmerzen wäre dabei entdeckt worden, und die unverzügliche fachärztliche Krisenintervention hätte das Leben des Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit gerettet.
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