Die Genossenschaften im Agrarhandel und in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse vollziehen einen dynamischen und erfolgreichen Anpassungsprozess. Ihre Zahl sank 2006 überwiegend durch Fusionen um 2,6 % auf 1.359. „Diese Konzentration führt zu höheren Umsatzvolumen pro Unternehmen und verbessert ihre Wettbewerbskraft auf den nationalen und europäischen Märkten. Das gilt insbesondere für die Milch verarbeitenden Genossenschaften, deren Zahl 2006 auf 64 Unternehmen (- 9,9 %) abnahm, und die Obst-, Gemüse- und Gartenbauwirtschaft. Konsequent nutzen die genossenschaftlichen Unternehmen ihre Chancen, die sich auf den Agrarmärkten und vor allem auf dem Bioenergiesektor bieten“, erklärte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), bei der Jahrespressekonferenz in Berlin.
Seit 1. Juli 2006 sind der Fachprüfungsverband von Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland e.V. und seine 184 Agrargenossenschaften Mitglieder des DRV. Dadurch stieg die Gesamtzahl der Genossenschaften, die vom DRV beraten, betreut und vertreten werden, auf 3.188 (Vorjahr 3.122).
Warenwirtschaft: Erfreuliche Umsatzentwicklung
Die Warenwirtschaft erzielte 2006 ein Plus von rd. 7 % auf 18 Mrd. Euro. „Diese erfreuliche Umsatzentwicklung wurde durch ein außergewöhnliches Mix von globalen, konjunkturellen und witterungsbedingten Einflussfaktoren bestimmt“, so Nüssel. Während steigende Rohölpreise die Umsätze in der Mineralölsparte sowie den Absatz von Biodiesel zunächst positiv beeinflussten, wirkten sich die ungünstige Frühjahrswitterung nachteilig auf den Absatz von Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie das Baustoff- und Einzelhandelsgeschäft aus. Als nach wie vor problematisch erweist sich die Systemumstellung zur Förderung von Biokraftstoffen: Mit der Besteuerung ist der Biodiesel-Absatz seit dem 2. Halbjahr 2006 massiv eingebrochen, was auch die neue Quotenregelung nicht verhinderte.
„Ein insgesamt freundliches Investitionsklima in der Agrarwirtschaft und die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 haben den Absatz in der Agrartechnik im Berichtsjahr stimuliert. Zahlreiche Investitionen wurden noch 2006 getätigt“, erläuterte Nüssel.
Die außergewöhnliche Sommertrockenheit hat die Getreideerntemenge 2006 beeinträchtigt. Gute Qualitäten, eine lebhafte Nachfrage auf dem europäischen und Weltmarkt, einhergehend mit einem rasant steigenden Bedarf an Getreide und Ölsaaten als Rohstoffe im Bioenergiesektor führten zu einem festen Preisniveau, allerdings bei erhöhten Vermarktungsrisiken. Bei anhaltend knapp versorgten Märkten verlieren die staatliche Getreidemarktverwaltung und damit die Interventionslagerhaltung an Bedeutung.
Preisschwankungen auf den hiesigen Märkten werden aufgrund globaler Einflüsse zunehmen. Um die Rohstoffversorgung für Verarbeitungsbetriebe im Lebensmittel-, Futtermittel- und neuerdings im Ener-giesektor sicherzustellen, erhöhen sich die Anforderungen an die Genossenschaften. Ihre Getreidelager dienen als Puffer für den zeitlichen und räumlichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Zur Reduzierung der Marktrisiken bieten Genossenschaften den Erzeugern ein breites Bündel verschiedener Vermarktungsmodelle an. Hierzu zählen die treuhänderische Einlagerung, Poolpreise, durchgehende Verträge vom Erzeuger bis zur Verarbeitung sowie Vorauszahlungsmodelle. Neben diesen bewährten Instrumenten gewinnt die Preissicherung an Warenterminbörsen weiter an Bedeutung.
Im laufenden Jahr bestimmen erneut konjunkturelle Parameter und globale Einflüsse die Geschäftsentwicklung. „Eine weltweit steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, der Bioenergie-Boom und der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland beeinflussen die Preisentwicklung und damit die Betriebsergebnisse der Landwirte und ihrer Vermarktungspartner weiterhin positiv“, so Nüssel. Umsatzrückgänge sind witterungsbedingt im Energiesegment und in der Agrartechnik aufgrund des Vorjahreseffektes nicht auszuschließen. Das Volumen der diesjährigen Getreideernte könnte wegen der leichten Flächenausdehnung das Vorjahresergebnis übertreffen.
Futterwirtschaft: Verlässliche Partner der Landwirtschaft
Die Mischfutterproduktion in Deutschland verzeichnete im Jahr 2006 einen Anstieg um 3,5 % auf 20,31 Mio. t. Entscheidend dafür war der deutliche Nachfrage-Anstieg bei Schweinemischfutter aufgrund wachsender Tierbestände. Auch in der Geflügelmast erhöhte sich die Produktionsmenge – trotz der Einbußen beim Geflügelfleischabsatz. Leicht positiv verlief erstmals wieder der Absatz beim Legehennenfutter. Die Mischfutterproduktion für Rinder blieb konstant. Die genossenschaftliche Futterwirtschaft ist ein bedeutender Betriebsmittel-Partner der deutschen Landwirtschaft.
Milchwirtschaft: Kräfte des Marktes wirken
Der nationale und der europäische Milchmarkt waren 2006 durch sinkende Anlieferungen und eine wachsende Nachfrage gekennzeichnet. Dies trug maßgeblich zur weiteren Abkopplung des Marktgeschehens von der Marktordnung bei. Die Molkereigenossenschaften erzielten mit 9,5 Mrd. Euro einen stabilen Umsatz, der um 3,4 % über dem Vorjahresniveau liegt.
Erneut war ein deutliches Wachstum bei Produktion und beim Verbrauch von Käse zu verzeichnen. Die Herstellung stieg um 3,5 % auf über 2,1 Mio. t, der Pro-Kopf-Verbrauch legte um 0,3 kg zu. Positiv entwickelte sich auch der Absatz von Konsummilch und Milchfrischprodukten. Die Buttererzeugung blieb bei nahezu konstanter Nachfrage hinter dem Vorjahr zurück. Die Herstellung von Magermilchpulver wurde um mehr als 17 % eingeschränkt. Bei inzwischen stark reduzierter direkter Stützung und geräumten Interventionslagern kommen die Kräfte des Marktes in der EU deutlicher zur Wirkung. Ein weltweit gesunkenes Angebot hat bei gleichzeitig zunehmender Nachfrage die Preise vor allem für Milchpulver in den letzten Monaten stark steigen lassen.
Die anhaltend positive Entwicklung am Weltmarkt sorgt auch für festere Tendenzen am deutschen Markt und stärkt damit die Verhandlungsposition der Molkereigenossenschaften gegenüber dem Lebensmittelhandel. Aufgrund von langfristigen Verträgen spiegeln die Preise für die Basisprodukte im weißen Sortiment die aktuellen Marktverhältnisse und den Wert dieser Produkte noch nicht wider. „In den anstehenden Listungsgesprächen ist eine spürbare Anpassung der Abgabepreise deshalb nicht nur angesichts gestiegener Kosten in der Lebensmittelkette erforderlich. Auch den gewachsenen Verwertungsunterschieden zu anderen Produktsegmenten muss Rechnung getragen werden, da ansonsten die Herstellung von Frischprodukten unrentabel würde,“ unterstrich der DRV-Präsident.
Vieh- und Fleischwirtschaft: Schlachtungen auf Rekordniveau
Die genossenschaftliche Vieh- und Fleischwirtschaft verbesserte ihr Jahresergebnis um knapp 2 Prozent auf insgesamt 5,4 Mrd. Euro. Die gute Entwicklung des Vorjahres in der Schweinefleischerzeugung wurde vom Jahr 2006 noch übertroffen. Mit einem Zuwachs um rd. 3,9 % wurden niemals zuvor in Deutschland so viele Schweine (insgesamt 50,1 Mio. Stück) geschlachtet. Die expansiven Ansätze auf der Produktionsseite fanden sich jedoch nicht auf Seiten der inländischen Nachfrage wieder. Trotz dieser rasanten Entwicklung lagen die Schlachtschweinepreise im Durchschnitt über dem Vorjahresniveau. Ein ausgleichendes Ventil verschaffte das 2006 erreichte Export-Rekordniveau mit mehr Ausfuhren in die alten EU-Staaten, in die sich dynamisch entwickelnden Märkte Mittel- und Osteuropas und nach Russland.
Die heimische Rindfleischerzeugung ist weiterhin geprägt durch rückläufige Viehbestände bei einer recht stabilen Nachfrage. Bedingt durch den fortschreitenden Abbau der Kuhbestände sowie den nahezu vollständigen Wegfall der Lebendexporte fiel die Rindfleischerzeugung in Deutschland größer aus als im Vorjahr. Auch die Preise tendierten höher. Für das Jahr 2007 erwartet der DRV weiteres Wachstum in der Schweinefleisch-Vermarktung und eine rückläufige Rindfleischerzeugung, bei zumindest stabiler Nachfrage, so dass die Rindfleischimporte in der Tendenz steigen werden.
Eine Schlüsselfunktion für die Fleischmärkte kommt weiterhin den Ausfuhren zu, da ein Anstieg der Inlandsnachfrage unwahrscheinlich ist. „Die Erschließung neuer Märkte - neben den sich entwickelnden in Mittel- und Osteuropa - rückt in den Fokus. Der fortschreitende Wettbewerbsdruck wird weiterhin die Konzentration in Richtung auf international agierende Unternehmen und somit den Strukturwandel in der Fleischwirtschaft bestimmen“, erwartet Nüssel.
Obst-, Gemüse- und Gartenbauwirtschaft: Ergebnis verbessert
Strategische Allianzen und Strukturwandel waren 2006 dominierende Themen in dieser Branche. Die Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften steigerten ihre Umsätze 2006 auf 2,2 Mrd. Euro (Vorjahr 1,8 Mrd. Euro). Beim Hauptumsatzträger der Obstsparte - dem Kernobst - wurde eine etwas höhere Ernte als im Vorjahr eingefahren. Der Anbau von Gemüse in Deutschland wurde um 3 % auf 111.045 ha ausgeweitet. Die deutschen Blumenvermarkter blicken auf Grund des witterungsbedingt späten Saisonstarts auf ein „mittelmäßiges Jahr“ zurück.
Nüssel begrüßt, dass mit der auf europäischer Ebene anstehenden Novellierung der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) Obst und Gemüse die Wettbewerbsfähigkeit der Branche gestärkt werden soll. Bislang gibt es für Vorhaben, in moderater Form Preise gemeinsam zu bestimmen, oder in Fusionsfragen weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene Ausnahmemöglichkeiten. Um jedoch das Ziel der Preisstabilisierung zu erreichen, fordert der DRV, dass bestimmte Preisfestlegungen durch eine oder mehrere Erzeugerorganisationen (EO) grundsätzlich erlaubt sein müssen. „Nur so können der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) entgegengetreten und die Erzeugerpreise abgesichert werden“, betonte Nüssel.
Notwendig ist die Möglichkeit, für bestimmte Produkte Mindestpreise festzusetzen. Die Bündelung des Angebots kann oftmals nur durch Fusionen von EO verwirklicht werden. Hier droht unter Umständen die Untersagung unter dem Aspekt der marktbeherrschenden Stellung, obwohl gerade die GMO einen hohen Grad der Bündelung erzielen will. Der DRV befürwortet deshalb Ausnahmen für Fusionen, wenn dadurch das Marktgleichgewicht gefördert und die Ziele der GMO erreicht werden.
Verpackungsnovelle: Trittbrettfahrerei beenden
DRV und Bundesvereinigung Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) fordern ein Ende der "Trittbrettfahrerei" bei der Entsorgung von Verpackungen. Sie schlagen vor, in die Verpackungsnovelle eine Regelung aufzunehmen, die für die Produktgruppe Obst, Gemüse, Blumen und Pflanzen den jeweiligen Letztinverkehrbringer zum Entgeltpflichtigen macht.
Die bisherige Praxis lässt es bedauerlicherweise zu, dass im Ausland ansässige Abpacker auf ihren Verkaufsverpackungen Grüne Punkte im markenrechtlichen Sinne aufbringen dürfen. Die erforderlichen Entgelte brauchen jedoch in vielen Fällen nicht entrichtet zu werden. Dies hat zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen auf der Anbieterseite geführt. Nach Auskunft des Dualen Systems Deutschland (DSD) liegt die "Trittbrettfahrerquote" im Produktbereich Obst und Gemüse bei mindestens einem Drittel. Experten sprechen davon, dass höchstens für die Hälfte der lizenzpflichtigen Verkaufsverpackungen Entgelte entrichtet werden.
„Seit langem fordern die deutschen Vorlieferanten, dass der LEH oder der jeweils an den Verbraucher verkaufende Lizenznehmer abgabepflichtig sein sollen. Dann würden alle Vorlieferanten unter Wettbewerbsaspekten gleich behandelt, unabhängig von der Nationalität, dem Firmensitz oder dem Verpackungstyp“, so der DRV-Präsident.
Weinwirtschaft: Sehr gute Qualitäten
Die 222 Winzergenossenschaften, davon 133 mit eigener Kellerwirtschaft, ernteten 2006 knapp 2,9 Mio. hl Weinmost. Die Gesamternte in Deutschland lag mit rd. 9 Mio. hl auf Vorjahresniveau und damit 0,5 Mio. hl unter dem Schnitt der letzten Jahre. Die Mengen fielen je nach Anbaugebiet unterschiedlich aus und reichten von nahezu normaler Menge bis hin zu 30 % unter dem langjährigen Schnitt. Der Umsatz der Winzergenossenschaften betrug rd. 800 Mio. Euro (+2,8 %).
Die Weine des Jahrgangs 2006 haben ein sehr gutes Qualitätsniveau, auch dank hervorragender Aromenausbildung sowie guter Säure- und Zuckerwerte. Diese in den meisten Regionen zweite kleinere Ernte in Folge, gepaart mit den teils drastischen Mehraufwendungen für Energie sowie die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007, erfordern moderate Preisanhebungen.
Auf europäischer Ebene steht 2007 die Novellierung der Gemeinsamen Marktordnung für Wein an. Die EU-Kommission bereitet eine radikale Änderung ihrer bisherigen Politik vor. So sind großflächige Rodungen von Weinbergen geplant und eine vollständige Abschaffung der Destillationsmaßnahmen, womit der Markt gestützt werden soll. „Der DRV setzt insbesondere auf mehr Marketing-Aktivitäten, um den Absatz zu fördern. Die Wettbewerbskraft der Weinwirtschaft muss gestärkt werden, auch um neue Exportmärkte zu erschließen“, betonte Nüssel.
Agrargenossenschaften: Stabiles Ergebnis
Die 925 Agrargenossenschaften, die dem DRV angeschlossen sind, haben sich auch 2006 stabil entwickelt. Seit Juli 2006 ist der Fachprüfungsverband für Produktivgenossenschaften in Mitteldeutschland e.V. (FPV) mit seinen 184 Agrargenossenschaften Mitglied des DRV. Damit hat die Interessenvertretung für diese Sparte einen noch höheren Stellenwert in der DRV-Verbandsarbeit.
Die Umsatzerlöse blieben mit etwa 2 Mio. Euro je Betrieb konstant. Witterungsbedingten Ertragsrückgängen bei pflanzlichen Erzeugnissen stand ein Preisanstieg gegenüber. Positiv auf das Gesamtergebnis wirkte sich die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe bzw. die Energiegewinnung aus. Die Erlöse der tierischen Produktion entwickelten sich stabil, insbesondere der Erlös aus Schlachtrindern stieg. Die Flächenausstattung der Agrargenossenschaften blieb 2006 konstant. Zugleich erhöhten sie die Arbeitsproduktivität, was angesichts steigender Betriebskosten notwendig ist.
„Die meisten der betroffenen Agrargenossenschaften beteiligen sich an der Regelung zur Ablösung der Altschulden. Nachdem sie bei der Antragsstellung ihren Pflichten nachgekommen sind, müssen sie nun ein äußerst schleppendes Bearbeitungsverfahren hinnehmen. Der DRV fordert die verantwortlichen Institutionen auf, 2007 den endgültigen Abschluss des langwierigen Verfahrens sicherzustellen“, erklärte Nüssel.
Für das laufende Jahr sind die Aussichten insgesamt positiv. Weizenpartien wurden im Frühjahr an den Terminbörsen um 145 €/t gehandelt. Auf dem Milchmarkt wird ein leichter Anstieg der Auszahlungspreise erwartet. Einzig steigende Energie- und damit Düngemittelkosten sowie höhere Futterkosten trüben die Erwartungen, die ansonsten durch günstige Perspektiven auf den Agrarmärkten geprägt sind. Mit Blick auf die europäische Agrarpolitik fordert der DRV, die aktuellen Gedankenspiele um die Deckelung der Direktzahlungen zu beenden.