Die Wirtschaft wächst, die Kinderarmut steigt. Rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland – 14,7 Prozent ihrer Altersgruppe – leben in einer Familie, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. „Eine solche Entwicklung widerspricht unserer christlichen Vorstellung von einer Gesellschaft in Solidarität und Gerechtigkeit“, betont Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Andauernde Erfahrung von Armut in Kindheit und Jugend wirke sich oft negativ auf das weitere Leben aus. Vernachlässigte Gesundheit, Bildung und Teilhabe mindern die Chance auf ein Leben. Der Zuzug von Flüchtlingen mache die Situation von Kinderarmut noch dringlicher. „Die Lage von Flüchtlingskindern und ihren Familien ist meist prekär und wird in der Debatte zum Thema Kindeswohl und Chancen für die Zukunft oft vergessen.“
Kinder und Jugendliche mit alleinerziehendem Elternteil und Kinder mit zwei und mehr Geschwistern sind besonders häufig von Armut betroffen. Die Studie unterstreicht erneut, dass Kinder aus armen Familien in Deutschland längst nicht über dieselben Bildungs- und Gesundheitschancen wie Gleichaltrige aus finanziell gesicherten Familien verfügen.
„Schockierend und nicht akzeptabel ist, dass trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung vielen Kindern in Deutschland eine zuverlässige, stabile und berechenbare soziale Versorgung fehlt, die sie in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt, anregt und ihnen Sicherheit gibt“, sagt Eva-Maria Armbruster, Stellvertreterin des Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks Württemberg.
Kaufmann und Armbruster bezeichnen die Situation als „alarmierend“. Institutionen und Politik seien gleichermaßen gefragt. „Die Diakonie steht für die Chancengleichheit aller Kinder“, so Kaufmann, denn „es sollte überhaupt kein Armer unter euch sein.“ (5. Mose 15,4). Die Diakonie in Württemberg entwickelt seit Jahren entsprechende Angebote, zum Beispiel Patenschaften für Jugendliche in der Schule und im Übergang zur Ausbildung. Häufig sind diese auf ehrenamtliches Engagement und Spenden angewiesen.
Die lokale Politik ist gefordert, Zugänge für Familien und Kinder in ihren Sozialräumen zu schaffen. Leichtere Zugänge zu Kindertageseinrichtungen und Schulen für Flüchtlingskinder und die Aufhebung armutsbedingter sozialer Isolation von Kindern müssen gewährleistet werden.
Die Familien- und Bildungspolitik müsse sich als unabdingbarer Bestandteil einer zukunftsgerichteten Sozialpolitik verstehen. Alle Einrichtungen und Dienste seien gefragt, Angebote zu entwickeln, zu planen und vorzuhalten, die die Lebensbedingungen der von Armut betroffenen Kinder und Familien verbessern, so Kaufmann.
Das Diakonische Werk Württemberg fordert eine Erhöhung des Grundsicherungssatzes und steuerliche Entlastung von Familien und Alleinerziehenden. „Es gilt, über neue Ansätze und Modelle zur allgemeinen Armutsbekämpfung in unserer Gesellschaft nachzudenken und zu diskutieren – und sie zügig in die Tat umzusetzen“, so Kaufmann.
In ihrer Herbstsammlung stellt die Diakonie in Württemberg die Situation von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt. „Voll krass“ – nicht alle Kinder und Jugendlichen haben gute Bedingungen für ihren Lebensweg. Die Diakonie hilft und bittet um Unterstützung für spendenfinanzierte Angebote.
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