Einen Fahrplan der Parteien zur Reformierung der Pflegeversicherung vermisst die Diakonie Württemberg. „Ohne eine strukturelle Reform der Pflegeversicherung ist die Pflege alter Menschen in Deutschland langfristig nicht gewährleistet“, betont Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. Dazu gehöre zum Beispiel die Gleichbehandlung der stationär Gepflegten mit den ambulant Versorgten. Derzeit bezahlen in Heimen versorgte Menschen einen höheren Eigenanteil. „Für eine Strukturreform der Pflege ist eine grundlegende Verbesserung des Finanzierungssystems notwendig. Darüber muss ein gesellschaftlicher Diskurs begonnen werden. Diese Chance ist vertan worden.“
Die angekündigten 8.000 zusätzlichen Pflegekräfte bringen nach Ansicht der Diakonie bei Weitem nicht die benötigte Entlastung in den Pflegeheimen. „Gleichzeitig begrüßen wir das Bekenntnis zur angemessenen und tariflichen Entlohnung, die wir in der Diakonie bereits seit Langem anwenden. Wir werden nur dann genügend Mitarbeiter in der Pflege gewinnen, wenn diese durch ihr Einkommen einen auskömmlichen Rentenanspruch erwerben können“, sagt Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg
Die Ergebnisse der jetzigen Verhandlungen zum Familiennachzug lassen nach Meinung des Diakonischen Werks Württemberg im Vergleich zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche keine ausreichenden Nachbesserungen erkennen. „Die Einheit der Familie ist ein hohes Gut“, mahnt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, „das auch verfassungs- und völkerrechtlich Schutz und Begründung findet.“ Durch die verlängerte Aussetzung des Familiennachzugs bis 31. Juli 2018 werde subsidiär Schutzberechtigten dieses Recht weiter vorenthalten. Kaufmann sieht auch die Gefahr, dass die Aussetzung auf unbestimmte Zeit weitergeführt wird, sollte es bis zum Stichtag keine gesetzliche Neuregelung geben. Dies bedeutet nach Auffassung des Diakonischen Werks Württemberg eine „ernste Gefährdung des Gebots auf Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes durch den Rechtsstaat gegenüber den subsidiär Schutzberechtigen“. Aus den langjährigen Erfahrungen der Diakonie in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit steht dies konträr zur Bestrebung nach Integration in die Gesellschaft, denn „Integration braucht Familie“, so Kaufmann weiter. Besondere Beachtung verlange hier auch das Kindeswohl von unbegleiteten Minderjährigen, das keinen weiteren Aufschub der Familienzusammenführung zulasse. Die angestrebte Deckelung des Familiennachzugs aus humanitären Gründen auf 1.000 Personen ab 1. August 2018 sieht Kaufmann kritisch. „Das Recht auf Familie darf nicht auf einen Akt der Gnade durch die zuständigen Behörden heruntergesetzt werden“.
Union und SPD planen Verbesserungen bei den Renten. Nach Einschätzung der Diakonie gehen diese Pläne in die richtige Richtung, weil für keine andere Altersgruppe das Armutsrisiko so schnell wächst wie für die Gruppe der über 65-Jährigen. Dennoch sind die einzelnen Maßnahmen nicht ausreichend und unbefriedigend.
Grundsätzlich soll das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent beibehalten werden. Mit den anderen im Landesbündnis gegen Altersarmut zusammengeschlossenen 34 Organisationen geht die Diakonie davon aus, dass das Rentenniveau wieder auf mindestens 50 Prozent angehoben werden muss. Das dies möglich ist, zeigt auch die aktuelle Entscheidung, die Rentenbeiträge von 18,7 auf 18,6 Prozentpunkte abzusenken. Diese Absenkung wurde damit begründet, dass die Rentenversicherung ansonsten die ihr gesetzlich möglichen Rücklagen übersteigen würde. „Man hätte aber auch den Beitragssatz stabil halten und die Renten, insbesondere die niedrigen Renten, anheben können“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Eine solche Absicherung niedriger Renten dürfe nicht auf Menschen begrenzt werden, die mindestens 35 Beitragsjahre vorzuweisen haben. Es seien die politisch gewollten Änderungen im Arbeitsrecht, die dazu geführt haben, dass es zunehmend Menschen gibt, die aufgrund ihrer prekären Beschäftigungsverhältnisse sehr lückenhafte Berufsbiographien vorweisen können. „Gerade diese Menschen werden doppelt bestraft, wenn man sie von der Absicherung im Alter ausschließt. Es muss möglich sein, Menschen mit geringen Renten unterhalb der Armutsgrenze einen Aufstockungsbetrag zuzubilligen, damit sie keine ergänzenden Sozialleistungen beantragen müssen. Dann ließen sich auch die verwaltungsaufwendigen Extraregelungen für Ostrentnerinnen sparen.“
Grundsätzlich ist wichtig, dass die versicherungsfremden Leistungen zur Aufstockung der niedrigen Renten und für die Mütterrente nicht aus Beitragszahlungen, sondern aus Steuermitteln erbracht werden. Dass die Verbesserungen mehrere Milliarden Euro kosten, darf nicht erschrecken, wenn man bedenkt, dass allein das Volumen der von der Politik gerade zur Debatte gestellten Solidaritätssteuer jährlich 18,5 Prozent Milliarden Euro ausmacht. Dieses Volumen würde mehr als ausreichen, um die notwendigen Rentenleistungen zu finanzieren.
Kaufmann resümiert: „Wenn man bedenkt, dass sowohl die Wiedervereinigung wie auch die Bewältigung der Finanzkrise zu einem großen Teil den Sozialhaushalten aufgebürdet worden ist und zu Leistungsverschlechterungen geführt hat, dann wird deutlich, dass es jetzt an der Zeit ist, das Soziale wieder mehr ins Zentrum zu stellen und – von den Kinderkrippen bis zu den Rentenleistungen – auch wieder ausreichend zu finanzieren.“
Auch für den Wohnungsbau braucht es Investitionen. Die Koalitionäre haben die Probleme am Wohnungsmarkt erkannt und auch die richtigen Handlungsschlüsse gezogen. „Eigentlich alles richtig, nur nicht in den erforderlichen Dimensionen.“ Gerade für arme Menschen oder Menschen im unteren bis mittleren Lohnsegment werden die Probleme nicht umfassend gelöst. So reichen zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau gerade für 40.000 Wohnungen. Geht man davon aus, dass die Länder diese Summe verdoppeln, werden 80.000 Sozialwohnungen entstehen. Klingt viel. Die noch geschäftsführend tätige Bundesbauministerin Hendricks hat allerdings 80.000 Wohnungen pro Jahr für die kommenden Jahren als notwendig angesehen – und eben nicht einmalig. Instrumente wie das Baukindergeld oder verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten fördern die Eigentumsbildung und können mittelfristig den überhitzten Wohnungsmarkt entzerren, sagt Kaufmann.