Ein Ausbruch der Virus-Infektion beispielsweise im Lager Moria auf Lesbos, mit ca. 20.000 Personen das größte Lager auf den Inseln, wäre ein Schreckensszenario und eine menschliche Tragödie. „Die Lager sind überfüllt und da alles gemeinsam genutzt wird, ist es schwer, sich vor Corona zu schützen“, berichtet eine Geflüchtete aus Afghanistan, die Kontakt zu einem Projekt der Diakonie hat. Es sei schlichtweg unmöglich, Abstand zu halten und regelmäßig Hände zu waschen. Rund 200 Personen teilen sich Dusche und Toilette, für 1.300 steht ein Wasserhahn zur Verfügung. Für das Strandleben hingegen, das am 15. Juni wieder möglich ist, sind als Corona-Vorschrift nur 40 Personen pro 1.000 Quadratmeter, also 25 Quadratmeter pro Person, zulässig.
In den Lagern leben viele Familien mit kleinen oder kranken Kindern, etliche schwangere Frauen sowie viele hochtraumatisierte Menschen. Laut EU-Kommission sind 1.500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dort. „Viele Kinder sind noch nicht registriert, haben keinen Zugang zu Bildung und sind von der angespannten Situation gestresst und verängstigt“, erzählt die Geflüchtete weiter. Besonders diesen vulnerablen Personenkreis gilt es nach Ansicht der Diakonie Württemberg zu schützen und schnellstmöglich zu evakuieren.
Ein großer Teil der Menschen in den Lagern lebt schon mehrere Monate unter diesen katastrophalen Bedingungen. „Unsere Solidarität darf in dieser Zeit nicht nur zu den nächsten Nachbarn gehen, sondern sie gilt auch unseren Nachbarn in Europa und der Welt“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, gelte für alle Menschen als Ebenbilder Gottes. „Deswegen setzen wir uns für die Situation der Zurückgebliebenen auf den griechischen Inseln ein und erklären uns solidarisch mit dem Slogan der Seebrücke `LeaveNoOneBehind´.“
Die Aufnahme von etwa 50 Minderjährigen vor wenigen Wochen in Niedersachsen kann nach Meinung der Diakonie nur ein Anfang sein, dem dringend weitere Aufnahmen folgen müssen. Viele Kommunen, auch in Württemberg, haben sich bereits zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Etliche davon sind bereit, zusätzlich zum regulären Kontingent der Zuweisungen weitere Geflüchtete aufzunehmen, die auf Hilfe dringend angewiesen sind.
Kaufmann fordert die Politik in Europa sowie auf Bundes– und Landesebene auf, ihre Handlungsspielräume zu nutzen und ohne weitere Verzögerungen zusätzliche Aufnahmeprogramme aufzulegen. „Die Diakonie ist bereit, mit ihren Netzwerken und Möglichkeiten der Beratung und Begleitung eine kommunale Aufnahme weiterer Geflüchteter zu unterstützen.“