„Problematisch bei der Regelung sind die hohen Anforderung zum Erlangen einer Ausbildungs- der Beschäftigungsduldung“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. „Unsere diakonischen Beratungsstellen berichten von der Problematik, dass gut integrierten geduldeten Menschen trotz vieler Bemühungen der Zugang zu einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung nicht ermöglicht wird.“ Besonders kritisch sieht Kaufmann die kurzen Zeiträume zur Identitätsklärung und die teils sehr langen Vorduldungszeiträume.
Viele Betroffene müssten ihre Identitätspapiere erst beschaffen. Die Botschaften der Herkunftsländer verlangten jedoch teils hohe Gebühren oder hätten lange Bearbeitungszeiten – teilweise antworteten sie gar nicht auf Anfragen. „Wir brauchen eine Abschaffung oder Verlängerung dieser Fristen und eine Vorgriffsregelung durch das Land Baden-Württemberg, die den Menschen garantiert, während der Identitätsklärung nicht abgeschoben zu werden“, sagt Kaufmann.
Für die Beschäftigungsduldung muss eine unverhältnismäßig lange Vorduldungs- und Vorbeschäftigungszeit nachgewiesen werden. „Stellen Sie sich vor: Sie sind gut integriert, arbeiten 35 Stunden pro Woche, sprechend hinreichend gut deutsch und ihre Kinder besuchen die Schule. Und dennoch werden Sie abgeschoben, weil Sie dies noch keine 12 Monate tun, sondern vielleicht erst 10 Monate. Das kann nicht sein, hier muss eine Vorgriffsregelung neue Wege ermöglichen“, so Kaufmann. Außerdem müsse der Stichtag für die Beschäftigungsduldung, die Einreise bis zum 1. August 2018, fallen. Sonst werde das Gesetz bald überflüssig.
Grundsätzlich sei an dem Gesetz zu bemängeln, dass Personen nur einen weiteren Duldungsstatus erlangen. Selbst wenn alle Auflagen erfüllt sind, wird den Betroffenen kein sicherer Aufenthaltstitel zugesprochen, sie bleiben weiterhin im Status der Ausreisepflicht. Erst Jahre später kommt für sie die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis in Betracht. „Ständig mit dem Gedanken konfrontiert zu sein, dass eine Abschiebung trotz aller erbrachten Anstrengungen weiterhin möglich ist, zehrt an den Menschen und verhindert Integration,“ sagt Kaufmann. Die Diakonie Württemberg fordert daher im Sinn der Auszubildenden und Beschäftigten und ihrer Unternehmen in Industrie, Handwerk und Sozialwirtschaft die Beendigung eines unsicheren Duldungsstatus und stattdessen die Erteilung eines sicheren Aufenthaltstitels.
Die Diakonie Württemberg unterstützt die angestrebte Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg zur Entfristung der Beschäftigungsduldung und zur Absenkung der hohen Anforderungen. „Nur so können gut integrierte geduldete Menschen Sicherheit bekommen und so können wir dem Mangel an Fachkräften etwa in der Pflege entgegenwirken“, ist Kaufmann überzeugt.
Hintergrund
Das Gesetz ist Teil des umfassenden Migrationspakets, das den Bundesrat am 28. Juni 2019 passiert hat. Das Gesetz gewährleistet Ausländern, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist (sog. Duldung), unter bestimmten Voraussetzungen und für einen bestimmten Zeitraum einen verlässlichen Aufenthaltsstatus durch eine langfristige Duldung, wenn sie eine Berufsausbildung absolvieren oder einer Beschäftigung nachgehen. Im Anschluss an eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.