Nach mehr Pflegekräften, auch aus dem Ausland, zu rufen, reiche nicht, um die Probleme zu lösen, so Kaufmann. Attraktive Arbeitsbedingungen, die Anerkennung des Pflegeberufs in der Gesellschaft und eine angemessene Bezahlung seien wichtige Schritte auf dem Weg aus dem Pflegenotstand. Kaufmann kritisierte den „schleichenden Prozess der Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Pflege in Krankenhäusern und Pflegeheimen“. Pflegebedürftige Menschen und pflegerische Leistungen würden zu Wirtschaftsgütern, Pflegekräfte zu „Produktionsfaktoren“ gemacht. Nach dem Verständnis der Diakonie nehme qualitätvolle Pflege den Menschen als Geschöpf mit Leib und Seele wahr. Die Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden und die Kooperation mit weiteren Akteuren im Ort gehört bei Pflegeheimen der Diakonie zum Standard.
Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg, ist überzeugt: „Wenn die pflegerische Versorgung zukunftsfähig sein soll, muss deren Finanzierung grundlegend geändert werden.“ Seit die Pflegeversicherung vor 24 Jahren verabschiedet wurde, sei sie „nur sehr zaghaft“ reformiert worden. „Wer heute in einem Pflegeheim wohnt, bekommt gegenüber Mitte der 1990er Jahre für das gleiche Geld nur noch 70 Prozent der Sachleistungen.“ Auch das zweite Pflegestärkungsgesetz habe daran nichts geändert. Armbruster: „Deswegen muss jetzt eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung kommen, die erstens die hohe Eigenbelastung der Pflegebedürftigen in den Heimen verringert und zweitens dafür sorgt, dass Leistungen der medizinischen Behandlungspflege dem Aufwand entsprechend vergütet werden. Hier sehen wir die Krankenversicherung in der Pflicht.“
Die im Koalitionsvertrag dafür avisierten 8.000 Pflegekräfte könnten nur ein erster Schritt sein. Die Gewinnung guter Pflegefachkräfte ist laut Armbruster schon heute zentrale Herausforderung. „Denn qualifizierte und motivierte Mitarbeitende können nur durch gute Arbeitsbedingungen gewonnen werden.“ Diese setzten voraus ausreichend Zeit für die bestehenden Aufgaben, Anerkennung ihrer Qualitätsansprüche, eine Entlohnung, durch die das eigene Alter nicht zum Armutsrisiko wird und Arbeitszeiten, die ein Familienleben ermöglichen. „Es soll nicht verschwiegen werden, dass wir bei Krankenkassen, Pflegekassen und Sozialhilfeträger nicht immer auf Verständnis für die damit verbundenen Kosten stoßen.“ Aber der Einsatz lohne sich: „Wir haben motivierte Mitarbeitende in der Pflege und wir schaffen es seit Jahren, dass die Zahl der neu ausgebildeten Pflegekräfte steigt.“
Die Diakonie Württemberg begrüßt die im angekündigten Landesgesetz über die Rahmenbedingungen der Pflege in Baden-Württemberg anvisierte Stärkung der lokalen Pflegeinfrastrukturen.“ Wir fordern das Land jedoch auf, nennenswerte Beträge in die kommunalen Versorgungsnetzwerke zu investieren“, so die Diakonie-Vorstände Kaufmann und Armbruster . Gerade kleinere Kommunen, aber auch örtliche Träger bräuchten die finanzielle Unterstützung des Landes beim Aufbau eigener vernetzter Versorgungsstrukturen. „Vorhandene Initiativen, bürgerschaftlich tätige Organisationen und professionelle Angebote müssen besser miteinander verknüpft werden.“
Claudia Degler, stellvertretende Geschäftsführerin und Heimleitung beim Evangelischen Verein Stuttgart-Bad Cannstatt, berichtet von der Herausforderung im hektischen Alltag des Pflegeberufs, sich als Mitarbeiter noch als Mensch „und nicht als Roboter zu fühlen, der eine Arbeit abarbeitet“. Gerade im diakonischen Verständnis sei es wichtig, sich für die Patienten Zeit zu nehmen. Zwar könne sie sich noch nicht über Personalmangel beschweren, dennoch fordert auch sie einen verbesserten Personalschlüssel, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch mal einen Tag Urlaub nehmen können, ohne für krank gewordene Kollegen einspringen zu müssen. Sie schätzt die Arbeit am Menschen und positive Rückmeldungen: „Nach dem Urlaub werden Sie von den Bewohnern begeistert begrüßt.“
Die Geschäftsführerin der Diakoniestation Weissacher Tal, Martina Zoll, beklagte Personalmangel. Zahlreiche Fach- und Hilfskräfte fehlen, von acht Pflege-Touren musste aufgrund des Personalmangels eine Tour bereits abgesagt, Pflegeanfragen bereits abgelehnt werden. „Das bricht uns und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Herz, da wir tagtäglich erfahren, wie wichtig es ist, dass Menschen möglichst lang daheim leben können.“ Ihr Anspruch ist es, pflegende Angehörige gut zu unterstützen, Pflegebedürftige auch in entlegenen Gebieten zu besuchen und nicht jeden Handgriff als Pflegeleistung abzurechnen. Finanzielle Zuwendungen von Krankenpflegevereinen der Kirchengemeinden machten persönliche Zuwendung über die bei den Kassen abzurechnende Leistung hinaus möglich.
Als Anbieterin von 18.000 stationären und teilstationären Pflegeplätzen und jährlich rund 20.000 ambulant versorgten Menschen ist die Diakonie in Württemberg erfahren und kompetent – und von gesetzlichen Regelungen maßgeblich betroffen.
Weitere Informationen zum Thema Pflege unter
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