Die ersten teilnehmenden Flüchtlinge stammen aus Syrien, Afghanistan, Nigeria, dem Iran und Gambia - sie wohnen heute im Raum Ludwigsburg und in Reutlingen. Die Flüchtlinge und Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingsarbeit starten heute das erste Modul zum gemeinsamen Lernen. In den vier Seminaren stehen neben der Vermittlung von Wissen u.a. zu den Themen Asylrecht, Antirassismus- und Gemeinwesenarbeit vor allem der Austausch in der gemischten Lerngruppe und die Ausbildung interkultureller Kompetenzen im Vordergrund. Die Unterrichtssprachen sind Deutsch und Englisch.
"Ich freue mich ganz außerordentlich, dass aus der Idee "Offene Hochschule" heute Wirklichkeit wird", sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Württemberg. "Hier begegnen sich Lebenswelten auf Augenhöhe - das ist Willkommenskultur und Teilhabe, wie sie uns schon die biblische Tradition aufgibt: Der Fremde soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer und du sollst ihn lieben wie dich selbst (3. Mose 19, 34)". Das Modellprojekt spiegele die Vorstellung der Diakonie von Partizipation, so Kaufmann weiter. "Wir wollen gemeinsame Räume schaffen, in die sich alle einbringen können - unabhängig von Herkunft, Status und Alter. Ich wünsche allen Beteiligten gute Erfahrungen im gemeinsamen Lernen und hoffe, dass aus dem Impuls des Modellprojekts weitere Foren des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Flüchtlingsarbeit und Wissenschaft entstehen."
Regina Ehrismann ist für die Umsetzung des Projektes an der Evangelischen Hochschule verantwortlich. Sie ist Islamwissenschaftlerin, Sozialarbeiterin und Mitarbeiterin beim IAD. Das Projekt "Offene Hochschule" stellt für sie auch eine wichtige Ergänzung zur Ausbildung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und zur Anerkennung von Migration als Ressource dar. "Positive persönliche Kontakte, die zur Entwicklung interkultureller Kompetenzen führen und Berührungsängste abbauen", sagt Ehrismann, "sind unbedingt notwendig für die Gestaltung eines von Vielfalt geprägten Zusammenlebens." Prof. Dr. Beate Aschrenbrenner-Wellmann, Leiterin des IAD, meint, das Projekt sei "ein Baustein im Prozess der Entwicklung von Qualitätsstandards in der Sozialen Arbeit mit Flüchtlingen".
Von Seiten der Diakonie begleitet Flüchtlingsdiakonin Annette Walter das Projekt. Sie hat ihr Studium ebenfalls an der Evangelischen Hochschule absolviert und berät heute in der Prälatur Heilbronn Flüchtlingsinitiativen. "Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Teilnahme an keine Bewilligung, Formulare oder weitere Papiere geknüpft ist. Wir laden Flüchtlinge, die ein großes Interesse am Lernen haben, zum Seminar ein. Dies öffnet Flüchtlingen Türen und ermöglicht Lernerfahrungen, von denen alle nur profitieren können," so Walter zum Start des gemeinsamen Lernens.
Das IAD begleitet das Modellprojekt wissenschaftlich und sichert damit dessen Nachhaltigkeit.
Das Institut für Antidiskriminierungs- und Diversityfragen (IAD)
Das IAD ist ein 2007 gegründetes wissenschaftliches Institut an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, unter Leitung von Frau Prof. Dr. Beate Aschenbrenner-Wellmann. Ziel ist es, Phänomene der Differenz und Fremdheit aufzugreifen, wissenschaftlich zu bearbeiten und Programme zur respektvollen und anerkennungsgeleiteten praktischen Gestaltung von Unterschiedlichkeit und Vielfalt zu entwickeln und somit Diskriminierung entgegenzuwirken. Die Tätigkeitsbereiche reichen von der fachlichen Begleitung diversitysensibler Öffnungsprozesse über anwendungsbezogene Forschung sowie der Etablierung von Standards und Handlungsempfehlungen für Theorie und Praxis der Antidiskriminierungsarbeit bis zur Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien für Hochschulen, Verwaltungen und Unternehmen.