- 28,2 Prozent sind länger als ein Jahr arbeitslos
- Hartz-Gesetze haben Arbeitsmarkt polarisiert
Die Zahl der Arbeitslosen in Baden-Württemberg ist im Vergleich zum Vormonat leicht angestiegen auf 231.983 und ist prozentual genauso hoch wie im August 2011. Die nachlassende Dynamik am Arbeitsmarkt ist zwar auch Saison bedingt. Sie kann als Vorbote eine aufziehenden Krise eingeschätzt werden. Die Quote von 4,1 Prozent ist nach Bayern die zweitniedrigste bundesweit. Die Zahlen sind erfreulich. Die Schattenseite ist der hohe Anteil der Langzeitarbeitslosen.
Im August waren 63.705 Personen länger als ein Jahr arbeitslos - so die Bundesagentur für Arbeit. Das sind 213 mehr als im Juli 2012, ihr Anteil beträgt jetzt offiziell 28,2 Prozent. Gegenüber August 2011 ist die Veränderung aus der amtlichen Statistik nicht zu ermitteln, weil nach wie vor von 5.700 Personen oder 2,5 Prozent aller Arbeitslosen die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht erfasst ist. Auch für diese Gruppe ist zu vermuten, dass sie zu einem großen Teil langzeitarbeitslos ist. Damit sind laut Statistik nach wie vor fast ein Drittel aller Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos. Tatsächlich sind es erheblich mehr, weil schon kurzfristige Unterbrechungen (Krankheit, kurzfristige Jobs etc.) zur Beendigung der statistischen Langzeitarbeitslosigkeit führen. Dem Rechtskreis des SGB II (Hartz IV) gehören 55,6 Prozent aller Arbeitslosen an. Dies sind diejenigen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind oder die sich keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung erarbeiten konnten. Für SGB-II-Berechtigte beträgt die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit jetzt 502 Tage. Langzeitarbeitslose finden also kaum einen Arbeitsplatz. Zusätzlich melden sich beinahe die Hälfte ehemaliger SGB-II-Empfänger nach einer Arbeitsaufnahme binnen eines halben Jahres erneut arbeitslose.
Zehn Jahre nach der Hartz-Reform - am 16. August 2002 übergab Peter Hartz die Vorschläge der nach ihm benannten Kommission an Bundeskanzler Schröder - muss festgestellt werden, dass sie auch zu einer Polarisierung des Arbeitsmarktes und der Arbeitslosigkeit geführt hat. Die Übergänge aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit haben zugenommen, aber sie sind fast nur Menschen möglich, die kurzfristig arbeitslos waren und qualifiziert sind.
Nach Angaben des DGB konnten sich 2011 über 26 Prozent aller Personen, die sich aus Erwerbstätigkeit heraus arbeitslos melden, keinen Anspruch auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III mehr erwerben. Dies zeigt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen SGB-II- bzw. Langzeitarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung. Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit nehmen die Nachteile am Arbeitsmarkt zu, ohne dass die betroffenen Menschen etwas dafür können. Hier ist Hilfe und Unterstützung gefordert. Stattdessen wurden Mittel zur Qualifizierung und Beschäftigung von Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB II im Jahr 2012 zum zweiten Mal um fast 20 Prozent gekürzt und auch für 2013 ist wieder eine Kürzung von über 10 Prozent angekündigt. Langzeitarbeitslose werden dadurch ausgegrenzt und auf die Endlosschleife zwischen SGB II und prekärer Beschäftigung verwiesen. Die Diakonie hält diese Kürzungen für verfehlt. Sie fordert seit Jahren, dass Arbeit statt Arbeitslosigkeit und Teilhabe statt Ausgrenzung finanziert wird. Sie hat Vorschläge entwickelt, wonach sich die Finanzierung der öffentlich geförderten Beschäftigung durch den Passiv-Aktiv-Tausch (PAT) weitgehend kostenneutral organisieren lässt und fordert eine grundsätzliche Richtungsänderung auf der Bundesebene.