Die Technologie der robotergestützten Automatisierung in der Landwirtschaft entwickelt sich schnell. Autonome, adaptive Agrarsysteme gewinnen für die praktische Landwirtschaft an Bedeutung, da qualifizierte Arbeitskräfte immer schwieriger zu finden sind und viele neue Systeme mithilfe von Sensoren in der Lage sind, prozessbegleitend auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren.
Roboter kommen heutzutage in wichtigen landwirtschaftlichen Sektoren immer häufiger zum Einsatz, auch in der Tierhaltung. Allerdings unterscheiden sich dort verwendete Roboter deutlich von den Technologien, wie sie etwa im Ackerbau angewendet werden. Ihr Einsatz findet in den Ställen vor dem Hintergrund eines verbesserten Tierwohls, reduzierter Umweltbelastungen sowie zur Optimierung der Arbeitsbedingungen und der Absicherung der Wirtschaftlichkeit statt.
Große technologische Fortschritte
In der Tierhaltung kommen heute verschiedene Robotertechnologien zum Einsatz, die die Automatisierung von Arbeitsprozessen unterstützen. Und die Entwicklung schreitet dynamisch voran. Vergleicht man heutige robotergestützte Systeme mit ihren Anfängen, lässt sich der Fortschritt gut erkennen, den diese Technologie insbesondere in den letzten Jahren gemacht hat.
Andreas Pelzer, Leiter des Landwirtschaftszentrums Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, ist überzeugt, dass alle automatisierbaren Prozesse in der landwirtschaftlichen Tierhaltung mittelfristig auch automatisiert werden. Er vergleicht die Entwicklung mit der Technisierung der Landwirtschaft vor 100 Jahren, nur dass jetzt die Roboter die Arbeit übernehmen. Automatisierung gebe es in der Tierhaltung schon seit Jahrzehnten, wie etwa in der Schweinefütterung. Die Digitalisierung habe jetzt die Intelligenz in die Automatisierung gebracht. „Roboter sind nicht nur da, um einen Prozess zu automatisieren, sondern ihn auch intelligent umzusetzen“, betont Pelzer.
Welche Vorteile Betriebe haben
Landwirtschaftliche Betriebe können von großen Vorteilen profitieren, wenn sie Prozesse mit Robotern automatisieren. Die Vorteile können mit jedem neuen Prozess, der hinzukommt, noch größer werden.
- Ein bedeutender Faktor sind eine verbesserte Effizienz und Produktivität, indem Roboter alltägliche, wiederholende Aufgaben übernehmen, die früher einen erheblichen Anteil der Arbeitszeit der Landwirte in Anspruch genommen haben, wie das Melken, Füttern und Entmisten.
- Die Landwirte können die gewonnene Zeit in andere Aufgaben investieren, die ebenfalls wichtig sind, aber häufig zu kurz kommen. Dazu zählt auch eine intensivere Tierbeobachtung.
- Autonome Roboter können die Lebensqualität der Betriebsleiter und ihrer Familien und Angestellten steigern. Feste Arbeitszeitbindungen – frühmorgens und an Wochenenden – entfallen.
- Roboter können nicht zuletzt auch ein Mittel sein, dem bestehenden Fachkräftemangel zu begegnen.
„Robotik bietet auch deutliche Potenziale in den Bereichen Tierwohl und Umwelt“, ergänzt Andreas Pelzer. Für eine Kuh kann es deutlich stressfreier sein, durch einen Roboter gemolken zu werden als durch einen gestressten Menschen, so Pelzer. Sie könne selbst entscheiden, wann sie zum Melken geht, und finde im Melkstand jeden Tag identische Bedingungen vor. In der Bullenmast orientiere sich die Futtervorlage durch Roboter viel stärker am individuellen Bedarf der Tiere. Die Interaktion mit dem Roboter motiviere die Bullen zudem auch zu mehr Bewegung und stimuliere sie im günstigsten Fall zu einer höheren Futteraufnahme. Die Futterqualität sei außerdem besser, da das Futter immer wieder frisch vorgelegt wird.
Als ein Beispiel für verbesserte Umweltwirkungen nennt Pelzer die Entmistung. Bei Gülleschiebern bestehe das Problem, dass sie Kothaufen auf der Fläche breit verteilen und dadurch die Fläche für Ammoniakemissionen gravierend vergrößern. Ein Stallboden-Reinigungsroboter hingegen kann den frisch gelegten Kothaufen gezielt aufnehmen.
Melkroboter machten den Anfang
Roboter in der Tierhaltung gibt es seit Ende der 1990er-Jahre in Deutschland. Seinerzeit sind die ersten Melkroboter in heimische Milchviehbetriebe eingezogen. „Mit dem Melken wurde ein arbeitsintensiver und sehr komplexer Prozess automatisiert. Das hat den Landwirtinnen und Landwirten viele Vorteile hinsichtlich Arbeitszeit und Lebensqualität verschafft“, betont Professor Dr. Wolfgang Büscher, Abteilungsleiter für Nutztierhaltung am Institut für Landtechnik der Universität Bonn. Mittlerweile, nach vielen Jahren Entwicklungszeit, würden die Systeme völlig störungsfrei arbeiten und auch erkennen, ob die Milchkühe gesund sind und im Hintergrund eine Qualitätskontrolle durchführen.
In der nächsten Mechanisierungswelle wurden Automatisierungssysteme für die Fütterung eingeführt, die zweitgrößte Arbeitsposition bei Kühen. Professor Büscher: „Und derzeit erleben wir, dass klassische Handarbeiten mehr und mehr durch die Robotik erledigt wird. Noch relativ jung sind Reinigungsroboter, die rund um die Tiere im Stall unterwegs sind, und Roboter, die das Futter mischen, vorlegen und anschieben.“
Investitionskosten für kleinere Betriebe häufig zu hoch
Robotik in der Tierhaltung bietet große Chancen. Gerade für kleinere Betriebe können aber die Investitionskosten eine schwer zu nehmende Hürde darstellen. So kann ein Melkroboter deutlich über 100.000 Euro kosten, und die Kosten für Reinigungsroboter bewegen sich im fünfstelligen Bereich. Derart hohe Investitionen können häufig nur größere Betriebe schultern, während kleinere Betriebe an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
CattleHub soll Interesse für Robotiklösungen wecken
Um den Einzug digitaler Technik wie der Robotik in die Rinderhaltung zu unterstützen, wurde das Experimentierfeld CattleHub ins Leben gerufen. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Professor Büscher, der Sprecher von CattleHub, betont: „Wir entwickeln selbst keine digitalen Systeme, sondern überprüfen sie auf ihre Anwendbarkeit und Funktionalität unter Praxisbedingungen. Unser Auftrag besteht außerdem darin, aktiv an die Tierhalter heranzugehen und sie über die Vorteile und möglichen Schwächen dieser Technologien zu informieren, damit sie eine objektive Investitionsentscheidung treffen können.“
Inspiriert vom jährlichen Field Robot Event der DLG hat CattleHub das Barn Robot Event initiiert, das sich mit dem Robotikeinsatz in der Innenwirtschaft beschäftigt. Thema des ersten Barn Robot Events, das auch Teil der EuroTier 2022 war, waren Stallboden-Reinigungsroboter.
FarmRobotix, die neue DLG-Plattform für Robotik, KI und Automatisierung
Die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) widmet sich schon seit vielen Jahren dem Einsatz von Agrarrobotern. Mit FarmRobotix hat sie jetzt eine neue Plattform für Robotik, Digitalisierung, Automatisierung und KI in der Landwirtschaft geschaffen, die ein Forum für Know-how-Transfer und Networking bieten soll. Auf der EuroTier 2024 wird sich FarmRobotix in einer Kombination aus Ausstellungs- und Fachprogramm sowie Live-Vorführungen präsentieren. Neben täglich stattfindenden Vorträgen auf der DLG-Expert Stage können Besucher Roboter auf speziellen Demoflächen in Aktion erleben und praktische Einblicke in den Betrieb von autonomen landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Geräten bekommen. Auf dem Barn Robot Event geht es in Hannover um Futteranschieberoboter im Rinderstall. In Live-Vorführungen werden die Roboter auf einer vorbereiteten Fläche im praktischen Einsatz zeigen, wie sie Rinderhalter unterstützen können.
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