Tilman Zülch (geb. 1939) engagiert sich seit den 1970er Jahren für die Sinti und Roma und beteiligte sich maßgeblich an den Aktionen der damals jungen Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen anhaltende Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung richteten. "Ohne die tatkräftige Unterstützung von Tilman Zülch und seiner "Gesellschaft für bedrohte Völker" hätte die Bürgerrechtsbewegung der Deutschen Sinti und Roma in ihrer entscheidenden Gründungsphase ab Ende der 1970er Jahre nicht diese öffentliche Breitenwirkung entfalten können", hob Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, die Bedeutung von Tilman Zülch für die Bürgerrechtsbewegung hervor.
Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling (Bundesminister für Post und Telekommunikation a.D.) nannte Tilman Zülch in seiner Laudatio einen "unbequemen Mahner unserer Zeitgeschichte". "Persönlichkeiten wie Tilman Zülch stehen als Einzelpersonen da, stemmen das Untragbare mit aller Kraft und bemühen sich, eine entsprechende Erkenntnis in der Gesellschaft als Bürger zu verbreiten und so immer stärker das Schicksal der Völker mitzubestimmen. Nur, wenn wir über solche Bürger verfügen, wird auch der Staat in entsprechender Weise zur Menschlichkeit ausgerichtet", sagte er weiter. Mit deutlichen Worten kritisierte Schwarz-Schilling auch die aktuelle Politik der Bundesrepublik. Er stellte fest, dass die Entscheidung die Staaten des Westbalkans durch die Koalitionsvereinbarung in Deutschland zu einem "sicherem Herkunftsland" zu deklarieren, alles andere als plausibel sei.
Der Preisträger Tilman Zülch selbst sprach in seiner Dankesrede ebenfalls die aktuelle Abschiebepraxis an. Dass junge Roma, die infolge der Verfolgung auf dem Balkan seit mehr als 20 Jahren in Deutschland leben und zum Teil Deutsch mit rheinischer oder hamburgischer Sprachfärbung sprechen mit der ständigen Drohung einer Abschiebung über Nacht leben müssen, sei nicht hinnehmbar.
Amaro Drom e.V., Empfänger des mit 5 000 Euro dotierten Sonderpreises, ist ein interkultureller Jugendverband von Roma und nicht-Roma mit dem Ziel, jungen Menschen durch Empowerment, Mobilisierung, Selbstorganisation und Partizipation Raum zu schaffen, um aktive Bürgerinnen und Bürger zu werden. Der erste Vorsitzende Emran Elmazi, bedankte sich für die Auszeichnung und machte klar, "dass wir mit unseren Bemühungen gerade erst am Anfang stehen." Neben der Jugendarbeit sei es weiterhin Aufgabe seines Vereins, denjenigen Menschen eine Hilfestellung zu leisten, die trotz der EU-Erweiterung von Politik und Medien vielfach mit schändlichen Vorurteilen belegt würden. "Die jungen Leute wollen nicht länger Objekte der Entscheidungen anderer sein", so der Preisstifter Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, "sie wollen ihren Weg selbst bestimmen: mit Kompetenz und Leidenschaft."
Der 2007 ins Leben gerufene Europäische Bürgerrechtspreis soll einen Beitrag zur Wahrung der Bürgerrechte und der Chancengleichheit der Angehörigen der Sinti und Roma-Minderheiten in ihren jeweiligen Heimatländern in Europa leisten. Darüber hinaus soll er gleichzeitig ein Signal an politisch verantwortliche Stellen, Medien und gesellschaftliche Gruppen in Europa sein, gegen überkommene Klischees, Vorurteilsstrukturen und jede Form der Ausgrenzung vorzugehen. Christoph Strässer, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, sagte in seinem Grußwort: "Der europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma wird im Bewusstsein des tragischen historischen Schicksals der Sinti und Roma verliehen. Diese Minderheit erfuhr die furchtbare Geschichte der Entrechtung, Verfolgung und systematischen Vernichtung im nationalsozialistischen Europa. Bis heute gibt die Lage der Sinti und Roma in vielen europäischen Staaten Anlass zu großer Sorge. Die Bedeutung dieses Preises ist also gar nicht hoch genug einzuschätzen."