Herr Dr. Kopf, wie fällt Ihre Bilanz nach den ersten 100 Tagen als alleiniger Geschäftsführer der MST.factory dortmund aus?
Es ist viel passiert. Indem wir die Erweiterung der MST.factory dortmund fertiggestellt haben, können wir jungen Unternehmen nun weitere 3.000 Quadratmeter Forschungs- und Entwicklungsfläche zur Verfügung stellen. Die ersten Start-ups machen davon bereits Gebrauch. Mitte Juli wird das dritte Unternehmen in die neuen Räumlichkeiten einziehen. Außerdem hat das Interesse an der MST.factory dortmund vor allem auf internationaler Ebene deutlich zugenommen. Insbesondere ausländische Geldgeber investieren zunehmend in die in der MST.factory ansässigen Unternehmen. Aber auch junge ausländische Firmen haben Dortmund und die MST.factory als idealen Ausgangspunkt für ihre weitere Entwicklung entdeckt. Insofern kann ich mit der Bilanz der ersten 100 Tage durchaus zufrieden sein.
Warum ist ein Kompetenzzentrum wie die MST.factory dortmund gerade für junge Unternehmen der Mikro-/Nanotechnologiebranche so wichtig?
Bei der Entwicklung von Prototypen in der Mikro-/Nanotechnologiebranche spielt die Geschwindigkeit eine wichtige Rolle. Deshalb bietet die MST.factory dortmund Firmengründern eine professionelle technische Infrastruktur, die ihnen eine schnelle Umsetzung ihrer Konzepte ermöglicht. Sie unterstützt Start-ups sowohl durch den Zugang zu modernsten Fertigungsanlagen als auch durch ein spezielles Beratungsangebot. Dass hier ein großer Bedarf besteht, zeigt die enorme Nachfrage, die letztlich zur Errichtung des zweiten Bauabschnitts geführt hat.
Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Bedeutung der Mikro-/Nanotechnologie?
Die Mikro- und die Nanotechnologie spielen schon heute in vielen Anwendungsbereichen eine überaus wichtige Rolle, denken Sie nur an die Automobilbranche. Kaum ein modernes Fahrzeug kommt noch ohne Technik im Miniaturformat aus, elektronische und sensorische Komponenten nehmen ständig zu. In Zukunft wird sich diese Entwicklung noch mehr beschleunigen.
Welchen Märkten gehört hier Ihrer Meinung nach die Zukunft?
Hier fällt die Auswahl schwer. Einerseits entwickeln sich die sogenannten Life Sciences sehr vielversprechend. Insbesondere biokompatible Materialien werden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Längst keine Zukunftsmusik mehr sind klassische Labors auf gerade einmal chipkartengroßen Kunststoffsubstraten, "Lab on a chip" genannt. Darüber werden sich aber auch Innovationen in Lichtanwendungen ergeben. Beispielsweise hat Australien ein Verbot für Glühbirnen ausgesprochen. Der Grund: die schlechte Energieausbeute. Mit Hilfe der Mikro-/Nanotechnologie lassen sich neue Generationen von energiesparenden Leuchtdioden entwickeln, die eine optimierte Lichtausbeute aufweisen. Diese könnten die Glühbirnen langfristig vollständig ersetzen.
Laut einer Erhebung des Branchenverbandes IVAM verfügt Dortmund über den größten MST-Cluster Deutschlands. Woran liegt es, dass sich so viele Unternehmen der Mikro-/Nanotechnologiebranche für Dortmund entscheiden?
Zum einen an den günstigen Standortvoraussetzungen. Von Dortmund aus haben die Unternehmen einen idealen logistischen Zugang zu allen wichtigen europäischen Märkten. Zum anderen haben wir für Newcomer der Branche beste Startbedingungen geschaffen etwa mit dem Gründungswettbewerb all micro, der von der Initiative start2grow durchgeführt wird, und mit der MST.factory dortmund, die junge MST-Firmen bei der Prototypenentwicklung unterstützt. Dadurch ist in den letzten sechs Jahren die Zahl der MST-Unternehmen in Dortmund permanent gestiegen.
Wie reagieren die anderen Branchen in Dortmund auf den Mikro-/Nanotechnologieboom in der Stadt?
Sie erkennen zunehmend, welche Chancen sich für sie durch die Mikro- und Nanotechnologie ergeben. Das liegt auch daran, dass die Wirtschaftsförderung Dortmund und die MST.factory dortmund dem hiesigen Mittelstand die Nutzenpotenziale der Mikro-/Nanotechnologie verstärkt nahebringen. Ähnliches gilt übrigens auch für das Thema Berufsperspektive. Insbesondere Schülerinnen und Schülern machen wir deutlich, dass eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich erstklassige Jobaussichten verspricht. Auf diese Weise sorgen wir gleichzeitig für qualifizierten Fachkräftenachwuchs.
Welche Rolle spielt in Dortmund der Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Forschungsreinrichtungen?
Ein reibungsloser Wissenstransfer ist das A und O in der Mikro-/Nanotechnologiebranche. Das funktioniert in Dortmund schon sehr gut. Unser Ziel ist es allerdings, kleine und mittlere Unternehmen noch stärker in Kontakt mit den hiesigen Hochschulen zu bringen, damit die Betriebe einen noch besseren Zugang zu Technologien und Entwicklungen bekommen. Außerdem sind wir bestrebt, in enger Zusammenarbeit mit den regionalen Hochschulen Hemmnisse bei Ausgründungen technologieorientierter Unternehmen abzubauen. Entscheidend ist bei allem der Verbund: Letztlich ist es vor allem das weitverzweigte Netzwerk aus miteinander kooperierenden Unternehmen, Hochschulen und Forschungsreinrichtungen, das für den Boom der Mikro- und Nanotechnologie in Dortmund verantwortlich zeichnet.