Kleiner Schadensersatz von 25 Prozent für VW Caddy
Einen klaren Sieg für die Verbraucher hatte die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer am Bundesgerichtshof (BGH) am 6. Juli 2021 errungen (Az. VI ZR 40/20). Mit dem kleinen Schadensersatz hatte der BGH Verbrauchern eine Möglichkeit an die Hand gegeben, Entschädigungen einzuklagen und dabei das Fahrzeug zu behalten. Bei dieser Art des Schadensersatzes fordert der Verbraucher eine Kaufpreisminderung. Der BGH hat diese Vorgehensweise für rechtens erklärt. Das Interessante daran: Die Preisminderung wird auf den Kaufpreis fällig, da das Fahrzeug sein Geld nicht wert war. Eine Nutzungsentschädigung hatte der BGH beim sogenannten kleinen Schadensersatz bisher nicht vorgesehen. Bei sogenannten Vielfahrern, die also mehr Kilometer als die zu erwartende Laufleistung des Motors mit dem Fahrzeug gefahren sind, müssen Gerichte nach Hinweisen des BGH jedoch genauer hinsehen und eine Abwägung treffen, ob doch ein Nutzungsentgelt fällig werden könnte. Beim großen Schadensersatz erhält der Halter sein Geld zurück, gibt seinen Diesel ab und muss für die Nutzung ein Entgelt bezahlen, das von der Entschädigung abgezogen wird. Hier nun die Eckdaten zum VW-Verfahren am Landgericht Aurich.
- Der Kläger kaufte im Februar 2011 für 27.996,45 Euro einen VW Caddy, der mit dem Skandaldiesel EA189 ausgestattet war.
- Das Oberlandesgericht Oldenburg stellte mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 9. September 2020 fest, dass VW verpflichtet ist, für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen.
- Am Landgericht Aurich stellte der Kläger dann seine Leistungsklage und verlangte mindestens 25 Prozent des Kaufpreises als Schadensersatz – also 6999,11 Euro. Das Landgericht folgte dem Antrag. „Für die Bemessung des sogenannten kleinen Schadensersatzes ist dabei grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich“, betonte das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Der Verbraucher habe keinen korrekten Gegenwert ausgehändigt bekommen. VW sei den Argumenten der Klageseite nicht ausreichend entgegengetreten und habe zu allgemein argumentiert.
Dr. Stoll & Sauer hat auch im Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA, jetzt Stellantis) bereits einen kleinen Schadensersatz erstritten. Das Landgericht Stade verurteilte dabei am 17. August 2021 einen Händler zur Zahlung einer Kaufpreis-Minderung von 25 Prozent. Hier die Eckdaten des Verfahrens (Az. 2 O 175/21):
- Der Kläger kaufte im Juli 2019 ein Wohnmobil des Herstellers Pilote für 71.500 Euro. Das Modell P 700 Essentiel ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Euronorm 6b ausgestattet. Die Motorkennung lautet: F1AGL411C.
- Die Multijet-Motoren sind nach Ansicht der Kanzlei so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro-6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügen. Tatsächlich beträgt das reale Abgas-Emissionsverhalten insgesamt das 19-Fache und übersteigt somit beträchtlich den Grenzwert. Das haben mehrere Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe an Wohnmobilen der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 ergeben.
- Das Gericht folgte dem Antrag von Dr. Stoll & Sauer. Da sich das Fahrzeug noch in der zweijährigen Gewährleistung befindet, war neben Fiat Chrysler Automobiles Italy auch gegen den Händler geklagt worden. Der muss jetzt dem Käufer eine Preisminderung von 25 Prozent (17.875 Euro) erstatten.
- Beim Urteil handelt es sich um ein sogenanntes Teilversäumnisurteil. Der beklagte Händler sowie FCA Italy hatten sich zur Klage bisher nicht geäußert. Das Autohaus ist nun verurteilt worden. Das Verfahren gegen FCA Italy läuft weiter. Normalerweise äußern sich die Beklagten nach Versäumnisurteilen zu den Anschuldigungen. Aus Sicht der Kanzlei dient die Vorgehensweise der Beklagten zur Verschleppung des Verfahrens. Wichtig ist: Die Argumente der Verbraucherkanzlei sind bei Gericht auf fruchtbaren Boden gestoßen und waren substantiiert genug für eine Verurteilung.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.